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wie in Sachen der Rechtspflege und Zivilverwaltung, vor allem des Schulwesens. Durch hervorragende deutsche Staatstätigkeit ist die ostasiatische Kolonie des Deutschen Reiches zu einer vorbildlichen Anlage geworden, die für die Kulturentwickelung des gewaltigen, in der größten inneren Umwandlung begriffenen, chinesischen Reiches ein wichtiger Faktor sein wird. Eine rechtliche Besonderheit stellt Kiautschou insofern dar, als es auch heute noch, nicht wie die übrigen Kolonien dem Reichskolonialamt, sondern dem Reichsmarineamt unterstellt ist, wodurch auch rechtlich sein Charakter als Hauptstützpunkt der Marine in Ostasien zum Ausdruck gebracht ist.

Die Karolinen-Inseln wurden durch Staatsvertrag von Spanien 1899 an das Deutsche Reich abgetreten und dadurch der wichtige Südsee-Inselbesitz Deutschlands erheblich erweitert. Diesem Südseebestandteil des deutschen Kolonialreiches gehört endlich auch seit 1899 die schöne Insel Samoa an. Endlich hat das deutsche Kolonialgebiet noch eine erhebliche Erweiterung gefunden durch den Staatsvertrag mit Frankreich von 1911, kraft dessen Frankreich an das Deutsche Reich ein erhebliches Stück seines westafrikanischen Kongogebietes abtrat. Dieses Gebiet ist grundsätzlich mit dem angrenzenden Gebiete der alten Kolonie Kamerun als Neu-Kamerun vereinigt worden.

Kolonialverwaltung und -Verfassung.

Die staatliche Einrichtung der deutschen Kolonien hat hinsichtlich der Zentralverwaltung ihren Abschluß gefunden in der 1907 unter schweren parlamentarischen Kämpfen, die zur Auflösung des Reichstags führten, erfolgten Errichtung des Reichskolonialamtes.

Das Reichskolonialamt ist das Kolonialministerium für alle Staatsangelegenheiten der Kolonien, ohne Rücksicht auf die Abgrenzung der Reichszuständigkeit nach RV. Art. 4; eine Einschränkung erfährt dieser Grundsatz nur territorial für Kiautschou (siehe oben), sowie sachlich für die Post- und Telegraphenangelegenheiten, die im Reichspostamt bearbeitet werden. Für die rein militärischen Angelegenheiten ist dem Kolonialamt ein besonderes Oberkommando der Schutztruppen angegliedert worden, das dem Reichskanzler untersteht.

Die Grundlage für die deutschen Staatseinrichtungen in den Kolonien, eine Art Verfassungsurkunde, bildet das 1886 erlassene „Schutzgebietsgesetz“, das im Jahre 1900 eine durchgreifende Neugestaltung erfuhr, die jedoch an den Grundlagen des bisherigen Rechtes, insbesondere an der kaiserlichen Gewalt, nichts änderte. Im Anschluß an das Marokkoabkommen mit Frankreich wurde in das Schutzgebietsgesetz 1912 die grundsätzliche Vorschrift aufgenommen, daß Erwerb und Abtretung von Kolonialgebiet, ausgenommen Grenzberichtigungen, nur durch Gesetz, also mit Zustimmung von Bundesrat und Reichstag, erfolgen kann.

Schutztruppe.

Der militärische Schutz der Kolonien hat gleichfalls eine erhebliche weitere Entwickelung erfahren. Der große Aufstand der Eingeborenen in Südwestafrika nötigte mehrere Jahre lang zu einer starken außerordentlichen militärischen und demgemäß finanziellen Kraftanspannung. Dauernde Schutztruppen

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/161&oldid=- (Version vom 31.7.2018)