die Uebrigen eine Zeit lang gefristet; doch schickte
es die Vorsehung, daß niemals des Herzogen Loos
herauskam. Aber das Elend wollte kein Ende nehmen;
zuletzt war blos der Herzog mit einem einzigen
Knecht noch auf dem ganzen Schiffe lebendig, und der
schreckliche Hunger hielt nicht stille. Da sprach der
Fürst: laß uns beide loosen, und auf wen es fällt,
von dem speise sich der andere. Ueber diese Zumuthung
erschrak der treue Knecht, doch so dachte er, es
würde ihn selbst betreffen und ließ es zu; siehe, da
fiel das Loos auf seinen edlen, liebwerthen Herrn,
den jetzt der Diener tödten sollte. Da sprach der
Knecht: das thu ich nimmer mehr, und wenn alles
verloren ist, so hab ich noch ein andres ausgesonnen;
ich will euch in einen ledernen Sack einnähen, wartet
dann, was geschehen wird. Der Herzog gab seinen
Willen dazu; der Knecht nahm die Haut eines Ochsen,
den sie vordem auf dem Schiffe gespeist hatten,
wickelte den Herzogen darein und nähte sie zusammen;
doch hatte er sein Schwert neben ihn mit hinein gesteckt.
Nicht lange, so kam der Vogel Greif geflogen,
faßte den ledernen Sack in die Klauen, und trug ihn
durch die Lüfte über das weite Meer bis in sein Nest.
Als der Vogel dieses bewerkstelligt hatte, sann er auf
einen neuen Fang, ließ die Haut liegen und flog wieder
aus. Mittlerweile faßte Herzog Heinrich das
Schwert und zerschnitt die Nähte des Sackes; als die
jungen Greifen den lebendigen Menschen erblickten,
fielen sie gierig und mit Geschrei über ihn her. Der
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_262.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)