Nur wenige Lombarden kamen lebendig davon; sie
flüchteten mit Romhild, Gisulfs Gemahlin, und seinen
Söhnen in die Festung Friaul. Als nun Cacan, der
Hunnenkönig, vor den Mauern der Burg, um sie zu
besichtigen, herritt, ersah ihn Romhild und sah, daß
er ein blühender Jüngling war. Da ward sie entzündet,
und sandte ihm heimliche Botschaft: wenn er
sie ehelichen würde, wolle sie die Burg, mit allen die
darin wären, in seine Hände geben. Cacan ging dieses
ein, und Romhild ließ die Thore öffnen. Die
Hunnen verheerten die ganze Stadt; was von Männern
darin war, tödteten sie durchs Schwert, um die
Weiber und Kinder aber loosten sie. Doch entrannen
Taso und Romoald, Gisulfs älteste Söhne glücklich;
und weil sie Grimoald, ihren jüngsten Bruder, noch
für zu klein hielten, ein Roß zu besteigen: so dachten
sie, „es wäre besser, daß er stürbe, als in Gefangenschaft
fiele,“ und wollten ihn tödten. Und schon war
das Speer gegen den Knaben erhoben, da rief Grimoald
mit Thränen: „erschlag mich nicht, denn ich
kann mich schon auf dem Pferde halten.“ Sein Bruder
ergriff ihn beim Arm, und setzte ihn auf den bloßen
Rücken eines Pferdes; der Knabe faßte die Zügel
und folgte seinen Brüdern nach. Die Hunnen rennten
hinter her, und einer fing den kleinen Grimoald;
doch wollte er ihn, seiner zarten Jugend wegen, nicht
tödten, sondern zu seiner Bedienung aufheben. Der
Knabe war schön von Bildung, glänzend von Augen,
und gelb von Haaren; als ihn der Hunne ins Lager
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_070.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)