Zug anführen sollte. So langten sie ohne Verzug in
Baiern an, und wurden dem König Garibald in der
Weise anderer Gesandten vorgestellt; der Älteste sprach
den üblichen Gruß, hernach trat Authari selbst, der
von keinem Baier erkannt wurde, vor, und sprach:
„Authari, mein Herr und König, hat mich deßhalb
hieher gesandt, daß ich seine bestimmte Braut, die unsere
Herrin werden soll, schaue, und ihm ihre Gestalt
genau berichten könne.“ Auf diese Worte hieß der
König seine Tochter kommen, und als sie Authari
stillschweigend betrachtet hatte, auch gesehn, daß sie
schön war, und seinen Augen gefiel, redete er weiter:
„weil ich, o König, deine Tochter so gestaltet sehe,
daß sie werth ist, unsere Königin zu werden, möge es
dir belieben, daß ich aus ihrer Hand den Weinbecher
empfange.“ Der König gab seinen Willen dazu, Dietlind
stand auf, nahm den Becher, und reichte zuerst
dem zu trinken, der unter ihnen der Älteste zu seyn
schien; hernach schenkte sie Authari ein, von dem sie
nicht wußte, daß er ihr Bräutigam war. Authari
trank, und beim Zurückgeben des Bechers rührte er
leise mit dem Finger, ohne daß jemand es merkte,
Dietlindens Hand an, darauf fuhr er sich selbst mit
der Rechten, von der Stirn an über die Nase, das
Antlitz herab. Die Jungfrau vor Schaam erröthend,
erzählte es ihrer Amme. Die Amme versetzte: „Der
dich so anrührte, muß wohl der König und dein Bräutigam
selber seyn, sonst hätte ers nimmer gewagt;
du aber schweige, daß es dein Vater nicht vernehme;
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_061.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)