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324.
Die Riesen zu Lichtenberg.
Mündlich, aus dem Odenwald.

Der Lichtenberg ist ein Bergschloß, das man späterhin aus den uralten Trümmern wieder erneuert hat, und in allen Dörfern, die in seiner Nähe liegen, lebt noch die Sage fort, daß es hier vor alten Zeiten Riesen gegeben habe. Unter den Steinen befinden sich manche, die keine Menschenkraft den jähen Berg hinauf hätte tragen können. Ein Riese schleppte einen über achtzig Centner schweren Block auf seiner Schulter herbei, aber er zerbrach ihm unterwegs und blieb eine Stunde von Lichtenberg auf der Höhe liegen; er wird noch heutzutag Riesenstein genannt. Im Schloß wird ein Knochen, anderthalb Schuh im Umfang haltend und mit einem andern, einen halben Schuh dicken, einen Fuß langen Bein verwachsen, aufbewahrt; auch soll daselbst vor fünf und zwanzig Jahren noch eine ungeheure Bettlade außer den Knochen zu sehen gewesen seyn. Es wird auch wiederum erzählt, daß die Riesenfrau einmal weiter als gewöhnlich von dem Lichtenberg weggegangen sey und einen Bauer getroffen habe, der mit Ochsen seinen Acker pflügte. Das hatte sie noch nie gesehn, nahm also Bauer, Pflug und Ochsen zusammen in ihre Schürze und brachte es ihren, Mann aufs Schloß mit den Worten: „sieh einmal Mann, was ich für schöne Thierchen gefunden habe.“

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 422. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_458.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)