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war, ohne Zweifel ein guter Engel Gottes, hin zu ihr, zupfet sie bei der Kursen (Mantel), beutet ihr einen guten Morgen und spricht: „ei! liebe Gevatterin, behüt uns der allmächtige Gott, wie kommt ihr daher? Ich bitte euch um Gottes und seiner lieben Mutter willen, habt eben acht auf, wann der Priester wandelt oder segnet, so laufet, wie ihr laufen könnt und sehet euch nur nicht um, es kostet euch sonst euer Leben.“ Darauf sie, als der Priester wandeln will, aus der Kirche geeilet, so sehr sie gekonnt, und hat hinter ihr ein gewaltig Prasseln, als wann die ganze Kirche einfiele, gehöret, ist ihr auch alles Gespenst aus der Kirche nachgelaufen und hat sie noch auf dem Kirchhof erwischt, ihr auch die Kursen (wie die Weiber damals trugen) vom Hals gerissen, welche sie dann hinter sich gelassen und ist sie also unversehret davon kommen und entronnen. Da sie nun wiederum zum obern Thor kommt und herein in die Stadt gehen will, findet sie es noch verschlossen, dann es etwa um ein Uhr nach Mitternacht gewesen: mußt derowegen wohl bei dreien Stunden in einem Haus verharren bis das Thor geöffnet wird und kann hieraus vermerken, daß kein guter Geist ihr zuvor durch das Thor geholfen habe und daß die Schweine, die sie anfangs vor dem Thor gesehen und gehört, gleich als wenn es Zeit wäre, das Vieh auszutreiben, nichts anders, dann der leidige Teufel gewesen. Doch, weil es ein beherztes Weib ohne das gewesen und sie dem Unglück entgangen, hat sie sich des Dings nicht mehr

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_291.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)