bekannten: daß ihr Volk es sey, welches die Felder
der Landesbewohner beraubte, wozu aber die äußerste
Noth sie zwänge. Die Nachricht von den eingefangenen
Zwergen brachte die ganze Gegend in Bewegung.
Das Zwergvolk sandte endlich Abgeordnete und bot Lösung
für sich und die gefangenen Brüder, und wollte
dann auf immer das Land verlassen. Doch die Art
des Abzuges erregte neuen Streit. Die Landeseinwohner
wollten die Zwerge nicht mit ihren gesammelten
und versteckten Schätzen abziehen lassen und das Zwergvolk
wollte bei seinem Abzuge nicht gesehen seyn. Endlich
kam man dahin überein, daß die Zwerge über eine
schmale Brücke bei Neuhof ziehen, und daß jeder
von ihnen in ein dorthin gestelltes Gefäß einen bestimmten
Theil seines Vermögens, als Abzugszoll werfen
sollte, ohne daß einer der Landesbewohner zugegen
wäre. Dies geschah. Doch einige Neugierige hatten
sich unter die Brücke gesteckt, um den Zug der Zwerge
wenigstens zu hören. Und so hörten sie denn viele
Stunden lang das Getrappel der kleinen Menschen;
es war ihnen als wenn eine sehr große Heerde Schaafe
über die Brücke ging. – Seit dieser letzten großen
Auswanderung des Zwergvolks lassen sich nur selten
einzelne Zwerge sehen. Doch zu den Zeiten der Elterväter
stahlen zuweilen einige in den Berghöhlen zurückgebliebene
aus den Häusern der Landesbewohner
kleine kaum geborene Kinder, die sie mit Wechselbälgen
vertauschten.
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_264.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)