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Frevel und eines Sonntags im Sommer wollte sie die Senne ihres Sohns besuchen. Vom Weg ermüdet ruhte sie oben aus und bat um einen Labetrunk. Da verleitete den Hirten die Dirne, daß er ein Milchfaß nahm, saure Milch hineinthat und Sand darauf streute, das reichte er seiner Mutter. Die Mutter aber, erstaunt über die ruchlose That, ging rasch den Berg hinab und unten wandte sie sich, stand still und verfluchte die Gottlosen, daß sie Gott strafen mögte.

Plötzlich erhob sich ein Sturm und ein Gewitter verheerte die gesegneten Fluren. Senne und Hütte wurden verschüttet, Menschen und Thiere verdarben. Des Hirten Geist, sammt seinem Hausgesinde, sind verdammt, so lange, bis sie wieder erlöst worden, auf dem Gebirg umzugehen, „ich und min Hund Rhyn, und mi Chuh Brandli und mine Kathry, müssen ewig uf Klaride syn!“ Die Erlösung hangt aber daran, daß ein Senner auf Charfreitag die Kuh, deren Euter Dornen umgeben, stillschweigend ausmelke. Weil aber die Kuh, der stechenden Dörner wegen, wild ist und nicht still hält, so ist das eine schwere Sache. Einmal hätte einer schon den halben Eimer vollgemolken, als ihm plötzlich ein Mann auf die Schulter klopfte und fragte: „schäumts auch wacker?“ Der Melker aber vergaß sich und antwortete: „o ja!“ da war alles vorbei und Brändlein, die Kuh, verschwand aus seinen Augen.

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_187.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)