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Leben oder Tod verändern[1]. Wie nun die Frau bei Westhofen in den Klauer kommt mit dem Kind auf dem Rücken, welches ihr so schwer geworden, daß sie keucht und der Schweis ihr übers Angesicht lauft, begegnet ihr ein fahrender Schüler, der redet sie an: „ei Frau, was tragt ihr da für ein wüstes Geschöpf, es wäre kein Wunder, wenn es euch den Hals eindrückte.“ Sie antwortete, es wäre ihr liebes Kind, das wollte nicht gedeihen und zunehmen, daher es zu Neuhausen sollte gewogen werden. Er aber sprach: „das ist nicht euer Kind, es ist der Teufel[2], werft ihn in den Bach!“ Als sie aber nicht wollte, sondern beharrte, es wäre ihr Kind und es küßte, sprach er weiter: „euer Kind stehet daheim in der Stuben-Kammer hinter der Arke in einer neuen Wiege, werfet diesen Unhold in den Bach!“ da hat sie es mit Weinen und Jammern gethan. Alsobald ist ein Geheul und Gemurmel unter der Brücke, auf der sie stand, gehört worden, gleich wie von Wölfen und Bären. Und als die Mutter heimgekommen, hat sie ihr Kindlein frisch und gesund und lachend in einer neuen Wiege gefunden.


  1. Ein Wechselbalg wird gewöhnlich nicht älter als sieben Jahre; nach andern jedoch sollen sie 18–19 Jahre leben.
  2. Denn der Teufel nimmt die rechten Kinder aus der Wiege, führt sie fort und legt seine dafür hinein. Daher der Name: Wechselbalg.
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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_169.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2018)