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von der Staatsreligion emancipirt, d. h. indem der Staat als Staat keine Religion bekennt, indem der Staat sich vielmehr als Staat bekennt. Die politische Emancipation von der Religion ist nicht die durchgeführte, die widerspruchslose Emancipation von der Religion, weil die politische Emancipation nicht die durchgeführte, die widerspruchslose Weise der menschlichen Emancipation ist.

Die Gränze der politischen Emancipation erscheint sogleich darin, dass der Staat sich von einer Schranke befreien kann, ohne dass der Mensch wirklich von ihr frei wäre, dass der Staat ein Freistaat sein kann, ohne dass der Mensch ein freier Mensch wäre. Bauer selbst gibt dies stillschweigend zu, wenn er folgende Bedingung der politischen Emancipation setzt: «Jedes religiöse Privilegium überhaupt, also auch das Monopol einer bevorrechteten Kirche müsste aufgehoben, und wenn Einige oder Mehrere oder auch die überwiegende Mehrzahl noch religiöse Pflichten glaubten erfüllen zu müssen, so müsste diese Erfüllung als eine reine Privatsache ihnen selbst überlassen sein.» Der Staat kann sich also von der Religion emancipirt haben, sogar wenn die überwiegende Mehrzahl noch religiös ist. Und die überwiegende Mehrzahl hört dadurch nicht auf, religiös zu sein, daß sie privatim religiös ist.

Aber das Verhalten des Staats zur Religion, namentlich des Freistaats, ist doch nur das Verhalten der Menschen, die den Staat bilden, zur Religion. Es folgt hieraus, dass der Mensch durch das Medium des Staats, dass er politisch von einer Schranke sich befreit, indem er sich im Widerspruch mit sich selbst, indem er sich auf eine abstrakte und beschränkte, auf partielle Weise über diese Schranke erhebt. Es folgt ferner, dass der Mensch auf einem Umweg, durch ein Medium, wenn auch durch ein nothwendiges Medium sich befreit, indem er sich politisch befreit. Es folgt endlich, dass der Mensch, selbst wenn er durch die Vermittlung des Staats sich als Atheisten proklamirt, d. h., wenn er[1] den Staat zum Atheisten proklamirt, immer noch religiös befangen bleibt, eben weil er sich nur auf einem Umweg, weil er nur durch ein Medium sich selbst anerkennt. Die Religion ist eben die Anerkennung des Menschen auf einem Umweg. Durch einen Mittler. Der Staat ist der Mittler zwischen dem Menschen und der Freiheit des Menschen. Wie Christus der Mittler ist, dem der Mensch seine ganze Göttlichkeit, seine ganze religiöse Befangenheit


  1. korrigiert, im Text er er
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Karl Marx: Zur Judenfrage. In: Deutsch-Französische Jahrbücher, Paris: Bureau der Jahrbücher, 1844, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_189.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)