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„Wer hat geerbt dieses Haus?“, fragte Harald immer in demselben gelangweilten Tone.

„Das … das weiß noch niemand, mein Herr … Das Testament der Dame soll erst nach drei Monaten eröffnet werden, bis dahin soll es so bleiben, wie bisher … Ein Rechtsanwalt in Swinemünde betraut den Nachlaß … Die Dame ist sehr reich …“

War sehr reich, – sie ist doch tot …“, verbesserte Harald …

Der dicke Zigeuner (er stammte auch aus Ungarn) hüstelte. „Natürlich, – – sie ist tot … – Trinken die Herren noch ein Glas?“

„Danke …“

Fünf Minuten darauf standen wir gegenüber der Kneipe in einem Hausflur und beobachteten das Gebäude, in dessen erstem Stock ein „Privathotel“ untergebracht war.

Wir brauchten nicht allzu lange zu warten: Drüben aus dem Haupteingang trat eine schlicht gekleidete, hagere Matrone mit schneeweißem Haar und dunklem Gesichtsschleier heraus und wandte sich der Müllerstraße zu. Von ihren Zügen war nicht viel zu erkennen, sie ging sehr aufrecht und sehr kräftigen Schrittes dahin, ihre Bewegungen und ihre Kopfhaltung verrieten Frische und Energie, und ein unnennbarer Hauch von Vornehmheit umgab sie …

Die Födösys entstammten einer Magnatenfamilie, waren freilich eine Seitenlinie.

Harald hatte mich untergehakt. „Mein Alter, dort wandelt eine Tote … – Diese Überraschung ist selbst mir in die Glieder gefahren. Allerdings: In meine Theorie über den weißen Maulwurf läßt sich diese Lebendige-Tote sehr gut einfügen.“

Sie ist der weiße Maulwurf!“, behauptete ich kühn.

„Ein weiser weißer Maulwurf mag sie sein, der weiße Maulwurf ist sie nicht“, lautete seine knappe Antwort.

„Also kennst du ihn? – Ist es doch Josef Strahl?!“

Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Der weiße Maulwurf. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1932, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_wei%C3%9Fe_Maulwurf.pdf/47&oldid=- (Version vom 31.7.2018)