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Walther Kabel: Der vergiftende Garten (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 1)

höchst unwahrscheinlich, daß die Ursache in den Zimmern des Hauses liegen konnte, auch würden, wenn dies der Fall gewesen wäre, die Frühlings- und Herbstmonate wegen der feuchten Witterung das Auftreten der Krankheit begünstigt haben, während sie im Gegenteil mit dem Eintritt des Herbstes ganz aufhörte. Daher fiel später der Verdacht schließlich auf den Garten, der klein und von Gebäuden und Mauern ganz eingeschlossen war. Man schob die Schuld auf die dumpfige Lage desselben und aß so wenig als möglich von den darin gezogenen Küchengewächsen. Aber dennoch kehrte die lästige Krankheit immer wieder zurück, und man bemerkte, daß nach einem jedesmaligen Aufenthalt im Garten ein Anfall derselben erfolgte. Es war also fast zur Gewißheit geworden, daß die Ursache im Garten liegen mußte.

Einst kam ein junges Mädchen, das vorher einige Jahre in diesem Hause gewohnt und ebenso wie die anderen Hausgenossen an der Krankheit gelitten hatte, seit der Veränderung ihres Aufenthaltes jedoch davon verschont geblieben war, wieder zum Besuche. Sie ging in den Garten, hielt sich etwa eine Stunde darin auf, und noch an demselben Tage fühlte sie ein Jucken und Brennen am linken Arme. Am folgenden Morgen war er rot, geschwollen und mit den gewöhnlichen Blasen bedeckt. Doch griff das Übel diesmal nicht weiter um sich, sondern ging bald vorüber. Da schon nach einem so kurzen und einmaligen Aufenthalte im Garten diese Wirkung so schnell erfolgt war, so blieb nichts anderes übrig, als sie dem schädlichen Einfluß eines Gewächses zuzuschreiben.

Gleich am Eingange des Gartens stand nämlich eine Laube, die mit einem Gewächse bekleidet war, das man dort unter dem Namen des wilden Weines kannte und noch von dem letzten Eigentümer des Hauses dahin verpflanzt worden war. Man stellte fest, daß die gefährliche Jahreszeit gerade die war, in welcher dies Gewächs am vollkommensten grünte. Der Beamte selbst war noch zuletzt am heftigsten davon ergriffen worden, als er den Tag zuvor eine ganze Stunde damit zugebracht hatte, die herumhängenden Ranken an der Laube anzubinden und die jungen Schößlinge, die sich sehr vermehrt

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Walther Kabel: Der vergiftende Garten (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 1). Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Stuttgart, Berlin, Leipzig 1909, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_vergiftende_Garten.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)