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amerikanischen Missionare wirklich nicht. Herr Bratter wird allerdings sagen, er habe nicht die armerikanischen Missionare von Mersiwan, sondern die englischen Missionare gemeint (die es dort niemals gab).

Was haben nun diese ganzen Deklamationen gegen die Hintschakisten, ein kleines Grüppchen revolutionärer Auslandarmenier, die unter den Armeniern der Türkei längst jeden Einfluß verloren haben, mit dem gegenwärtigen Stande der armenischen Frage zu tun? – Nichts. Nur der Mangel an Stoff kann es begreiflich machen, daß sich Herr Bratter so lebhaft für sie interessiert und noch einen Artikel aus dem „Hajk“ vom Jahre 1895 ausschreibt. Dem „berüchtigten“ Hamparzum, einen ihrer früheren Führer, der elf Jahre in türkischen Gefängnissen schmachtete und erst von den Jungtürken freigelassen worden ist, werden dabei die unglaublichsten Schändlichkeiten angedichtet. Entweder man verurteilt jede Revolution, oder man hat sich Revolutionäre darauf anzusehen, aus welchen Motiven sie handeln, und ob die Not ihres Volkes ihr Vorgehen rechtfertigt. Dann wird man zu einem billigen Urteil gelangen. Man vergesse doch nicht, daß die Jungtürken, die gegenwärtig unsere Bundesgenossen sind, zu jener Zeit Gesinnungsgenossen und Kameraden der Hintschakisten waren; beide wandten sich gegen die terroristische Regierung Abdul Hamids. Die revolutionären Bestrebungen der Jungtürken sind geglückt, die der Hintschakisten nicht. Das ist der Unterschied. Wer anders urteilt, macht sich der Heuchelei schuldig. Über das Massaker in Sassun sind ebenso wie über die großen Massakers, die Abdul Hamid veranstaltet hat, die Akten geschlossen. Wer mit dem Urteil, das alle Welt gewonnen hat, nicht übereinstimmt, soll erst die Bände von Konsular- und Botschaftsberichten aller Mächte, die darüber vorliegen, widerlegen und sich mit Männern wie Dr. Paul Rohrbach und anderen, die die Zustände in Armenien und ihre jüngste Geschichte aus eigener Anschauung kennen, auseinandersetzen.

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/312&oldid=- (Version vom 31.7.2018)