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Bild einer Zukunft, die ihr alles verhieß und sie dann um alles betrog …

Schweigend schritten sie durch die stillen vornehmen Straßen des Berliner Westens …

Und im Lichte der Straßenlaternen sah die Fürstin Wangorow die krankhafte Blässe dieses stark gealterten Männergesichts, sah auch die dürftige Kleidung, die kaum mehr schäbige Aufmachung dieses Mannes, der einst das Geld mit vollen Händen ausgestreut hatte, der jede Laune sich erfüllen konnte …

Jede Laune – auch die, daß er im Frühjahr 1914 die damals achtzehnjährige kleine bescheidene Verkäuferin aus dem Juweliergeschäft Samter Unter den Linden gegen den Willen ihrer biederen Eltern mit nach England genommen und dort geheiratet hatte …

Der Mann hier neben ihr war nicht mehr Fürst Alexander Wangorow …

Das war ein Heimatloser, ein von Haß gegen die neuen Herren in seinem Vaterlande Zerfressener … Ein Abenteurer, ein trauriger Rest eines schönen, flotten, leichtlebigen Edelmannes …

Und Mitleid schlich in ihr Herz …

Mitleid und Verständnis für des Heimatflüchtigen verzehrenden Wunsch nach neuem Aufstieg aus den dunkeln Niederungen des Daseins, in denen er jetzt zu vegetieren verurteilt war … –

In ärmere Viertel kamen sie …

In enge Straßen mit Mietskasernen, deren Balkone die Hoffnung auf frische Luft vortäuschten, deren schmierige Fassaden die Not der Nachkriegszeit predigten …

Weiber mit geschminkten Larven des Lasters strichen an ihnen vorüber …

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Stein der Wangorows. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1926, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stein_der_Wangorows.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)