behaupten, nur die Aschkanasim oder die Breitschädel unter den Juden übten den Ritualmord, während die Sephardim oder Langschädel unter den Juden des Ritualmords sich nicht schuldig machten; manche sagen auch, nur bei den Juden in Rußland, Polen und Galizien sei der Ritualmord in Übung, während er sich bei den übrigen Juden nicht finde, und andere hinwiederum behaupten, nur die Mitglieder der zwei Stämme Juda und Levi seien die Ritualmörder, dagegen seien die Mitglieder der übrigen zehn Stämme von der Beschuldigung des Ritualmords auszunehmen.
Fragt man, ob der Ritualmord sich aus der Heiligen Schrift oder aus anderen religiösen Bekenntnisschriften der Juden erweisen lasse, so stehen sich auch hier wieder die Meinungen gegenüber, indem die einen es behaupten, die anderen aber leugnen, und wieder andere eine geheime Überlieferung annehmen, durch welche der Ritualmord empfohlen oder geboten werde. Fragt man jedoch, von wem diese Überlieferung stamme, und durch wen sie verbreitet werde, so erhält man auf diese Frage keine Antwort.
Am meisten gehen die Ansichten auseinander, wenn man nach den Beweggründen des Ritualmords fragt. Da sagen manche, bei den Juden herrsche noch immer der uralte Aberglaube, daß Gott in wichtigen Fällen, wenn er um eine große Gnade gebeten, oder um Abwendung eines großen Übels angefleht werde, ein Menschenopfer verlange, und durch den Ritualmord werde ihm dasselbe dargebracht. Andere behaupten, es gebe Eiferer oder Fanatiker unter den Juden, welche mit den gewöhnlichen Mitteln zur Entsündigung nicht zufrieden seien, sondern außergewöhnliche und schärfere verlangten; deswegen verschafften sie sich um große Geldsummen von feilen Subjekten Menschenblut, und diese schlechten Subjekte seien es, welche zu diesem Zwecke bald da bald dort einen Ritualmord ausführten. Wieder andere sind der Meinung, die Juden hätten Christenblut nötig, um es zu Heilzwecken zu benützen, um sich mittels desselben vor Krankheiten zu bewahren, oder um die Rassereinheit zu schützen, und zu diesem Zwecke werde es in homöopathischen Dosen in die Osterkuchen gebacken oder in den Osterwein gemischt, weshalb die Ritualmorde besonders zur österlichen Zeit vorzukommen pflegten. Man beruft sich dabei auf die eigenen Aussagen von Juden, welche dieselben vor
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/95&oldid=- (Version vom 31.7.2018)