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ist nach der Meinung dieses Künstlers „offen, wenigstens nicht so geklärt, daß eine vollkommen ausreichende Antwort gegeben werden kann.“ Der übrige Unsinn, der in diesem „Gutachten“ noch enthalten ist, verdient es nicht, daß wir ihn hier wiedergeben.

Dem Kunstmaler schließt sich ein Schriftsteller an, Gustav Böhmer in München, welcher seine Unwissenheit in der Geschichte durch die Behauptung dokumentiert, daß zu allen Zeiten kurz vor dem Osterfeste Christenkinder verschwanden, und zwar auf eine Weise, die stets auf jüdische Spuren führte. Seinen Mangel an theologischen Kenntnissen verrät er dadurch, daß er behauptet, die Juden, denen doch aller Blutgenuß unter den schwersten Strafen verboten war, hätten durch die Erfahrung gewußt, daß der Blutgenuß bestimmter jugendfrischer Geschöpfe eine kräftige Wirkung hervorbringe. Damit hält er den Ritualmord für bewiesen und ausreichend erklärt. Eine andere Kampfesweise gegen den Ritualmord als durch Sitten und Gesetz hält er für verwerflich und unfruchtbar. Wer hierüber nähere Auskunft wünscht, möge sich das Werk kaufen, das unter dem Titel: „Ein Buch von der deutschen Gesinnung“, von Gustav Böhmer, bei O. Fr. Bassermann in München erschienen ist. Die Anpreisung dieses Buches war wohl auch die Hauptursache[WS 1], warum H. Böhmer, ohne eine specielle Einladung von der Staatsbürger-Zeitung erhalten zu haben, in die Reihe der „hervorragenden Männer der Wissenschaft und des praktischen Lebens“ eingetreten ist, und aus freien Stücken ein „Gutachten“ über den Ritualmord abgegeben hat, das wir jedoch gleich jenem des Kunstmalers Bindewald unter die dem Ritualmord-Aberglauben abgehaltenen Leichenreden einzureihen kein Bedenken tragen.

Es folgen noch drei weitere Schriftsteller, Paul Dehn und Dr. Böckel, beide zu Friedenau, und Chamberlain (Nr. 392) in Wien. Der erste (Paul Dehn) hält derartige Handlungen des Aberglaubens für möglich, besonders bei den Juden in Galizien, Rumänien und Südrußland, die auf einer außerordentlich niedrigen Kulturstufe stehen. Ob Ritualmorde bei ihnen auch wirklich vorgekommen sind, oder vorkommen, darüber spricht er sich nicht näher aus. Der zweite (Dr. Böckel) dagegen glaubt, daß die Blutmorde Thaten abergläubischer, jüdischer Sekten sind, die im polnischen Osteuropa ihren Sitz haben. Näheres weiß aber auch er nicht anzugeben, denn er kennt

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Haupurtsache
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/75&oldid=- (Version vom 31.7.2018)