Seite:Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen (1902).djvu/63

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

dargebracht wurden, so hat man diese Opfer stets als Verbrechen angesehen, und sie wurden auch niemals Jahweh, dem wahren Gott, sondern dem Moloch der Ammoniter oder einem anderen Götzen dargebracht.

Der zweite Techniker ist der ehemalige Maschinentechniker, jetzt Chefredakteur der Neuen Bayerischen Landeszeitung, wie er selbst sich unterzeichnet hat, A. Memminger in Würzburg; er nennt sich gern den „alten Anton“, und hört es auch gern, wenn er als „Feldpater“ begrüßt wird. Das „Gutachten“ dieses „hervorragenden Mannes der Wissenschaft und des praktischen Lebens“ über den Ritualmord läßt sich in folgende Sätze zusammenfassen: „Die auf niederer Kulturstufe stehenden Juden in Rußland, Polen und den Donauländern stehen dort im übelsten Rufe Ritualmörder zu sein.“ – Wenn wir uns erinnern, wie der Kardinal Ganganelli schon im 17. Jahrhunderte, und der ehemalige Professor an der Petersburger Universität Dr. Chwolson erst in den letzten Tagen nach genauer Prüfung der Akten den jüdischen Ritualmord für Polen und Rußland in Abrede stellen; wenn wir uns erinnern, daß ich über dreißig Fälle aus den Donauländern angeführt habe, in welchen den Juden von Christen Ritualmord vorgeworfen wurde, aber gerichtlich nicht nachgewiesen werden konnte, so werden wir den angeführten Satz Memmingers vielleicht besser und wahrheitsgemäßer in folgende Worte kleiden: „In der auf niederer Kulturstufe stehenden christlichen Bevölkerung von Rußland, Polen und den Donauländern ist der Aberglaube noch stark verbreitet, daß die Juden Ritualmörder seien.“

„Von den seit langem in echt deutschen Landen eingesessenen Juden glaube ich dieses nicht; es herrscht auch bei diesen nicht entfernt solch absurdes Maß von Aberglauben, wie etwa in den Herrschergebieten der Wunderrabbis.“ – Hiermit hat H. Memminger in lobenswerter Weise der Wahrheit und den deutschen Juden eine gebührende Anerkennung zu teil werden lassen, auch auf die Gefahr hin, daß die Antisemiten ihm nicht dankbar dafür sein werden; der Wahrheit werden wir jedoch noch näher kommen, wenn wir seinen Worten etwa folgenden Satz beifügen: „Die christliche Bevölkerung Deutschlands ist auch in Aufklärung und Bildung soweit vorangeschritten, daß der abergläubische Wahn, die Juden seien Ritualmörder, fast ganz verschwunden wäre,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/63&oldid=- (Version vom 31.7.2018)