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ihr Gutachten, dem sich auch der Xantener Arzt Dr. Steiner anschloß, dahin abgegeben, daß in Xanten ein Mord, um das Blut zu gewinnen, nicht vorlag, in Tisza-Eszlar konnte eine Abschlachtung der verschwundenen Esther Solymossi gerichtlich überhaupt nicht festgestellt werden, und über den Mord in Konitz sind die Akten noch nicht geschlossen, denn es ist noch nicht festgestellt, ob Christen oder Juden den Gymnasiasten Winter ermordet haben. Wie die Blutmorde beseitigt werden können, giebt H. Baltzer mit den Worten an: „Fort mit allen jüdischen Richtern! Das ist das beste Mittel auch gegen den Blutmord!“ – Damit wird wohl jeder Antisemit einverstanden sein, daß die jüdischen Richter beseitigt werden, daß diese Beseitigung aber das beste Mittel gegen den Blutmord sei, wird ihm keiner glauben. Und uns wird man es nicht verargen können, wenn wir ein „Gutachten“, welches einerseits in den religiösen Schriften der Juden für den jüdischen Ritualmord keinen Beweis findet, andererseits auf Fälle sich beruft, die als Ritualmorde gerichtlich nicht festgestellt sind, eine Leichenrede auf den Ritualmord-Aberglauben nennen.

Der nächste Leidtragende ist der von der Staatsbürger-Zeitung „sehr geschätzte, um die antisemitische Bewegung in Schlesien hochverdiente“ Justizrat Richard Gröger in Schweidnitz, dessen Gutachten folgenden kurzen Inhalt hat: „Gibt es Juden, die zu rituellen, religiösen oder sonstigen anderen Zwecken Menschenblut gebrauchen und darum den Ritualmord oder Blutmord begehen? Antwort: Ja! Womit begründen Sie Ihre Ansicht, und welche Beweggründe seitens der Juden nehmen Sie an? Skurz, [1] Xanten, Konitz und Hülsner. Beweggrund: Aberglauben.“

„Ein geeignetes Mittel zur Ausrottung dieser entsetzlichen Verbrechen“ kennt er nicht, oder verschweigt er aus guten Gründen. Um ein wissenschaftliches Gutachten von dieser Sorte abzufassen, braucht man weder Justizrat zu sein, noch gelehrte Forschungen anzustellen, es genügt dazu vollauf, wenn man nur ein Leser der Staatsbürger-Zeitung ist. Und weil der H. Justizrat auch gar nichts Neues vorgebracht hat, so wird er uns schon gestatten, daß wir auch sein „Gutachten“


  1. Nach Mittheilungen aus Amerika hat der christliche Schlächter Behrem auf dem Sterbebette das Geständnis abgelegt, daß er den Knaben Cybulla getötet hat.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/58&oldid=- (Version vom 31.7.2018)