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bei der Staatsbürger-Zeitung zu bedanken haben. Der H. Pastor selbst hatte, wie er am Schlusse seines Gutachtens sagt, gegen die Veröffentlichung desselben nichts einzuwenden.

Ein „Gebildeter aus dem Volke“ kommt jetzt, der sich aber schämt oder fürchtet, für sein wissenschaftliches „Gutachten“ mit seinem Namen einzustehen. Daß ihn die Staatsbürger-Zeitung für einen hervorragenden Mann der Wissenschaft und des praktischen Lebens hält, geht daraus hervor, daß sie sein Gutachten in ihre Spalten aufgenommen hat.

„Ich halte solche Morde für wahrscheinlich,“ sagt derselbe; „nach meiner Überzeugung lassen sich dieselben aber durch die Bibel nicht erweisen. Ob es durch den Talmud möglich ist, weiß ich nicht. Ich kann nur ganz laienhaft nach den äußeren Umständen urteilen: Die Morde geschehen fast immer vor Ostern“ – das ist aber nichts Ungewöhnliches, daß unter Hunderten von Mordthaten, die jahraus jahrein vollbracht werden, auch solche sind, die zur österlichen Zeit geschehen; „man findet die Leichname, die nicht vergraben sind“ – wie auch zu anderen Zeiten des Jahres unvergrabene Leichname gefunden werden, - „blutleer“, - weil das Blut sich in den Kleidern und in einer Lache in Nähe der Leichname findet, - „in eigenartiger Weise abgeschlachtet“, - wie es von christlichen Schlächtern, ebenso wie von jüdischen Schächtern geschehen kann; „es hat sich beständig in der nächsten Umgebung der Verdacht auf Juden gelenkt“ – auch ohne daß man einen besonderen Grund für den Verdacht vorbringen konnte, und das war es ja gerade, was die Päpste schon gleich damals, als die ersten Anklagen gegen die Juden wegen Ritualmords auftauchten, als falsche Anklage und boshafte Verleumdung bezeichnet und verboten haben. „Die Gesamtheit der Juden,“ heißt es weiter, „wendet ihre erheblichen Geld- und Machtmittel nicht auf, um die Morde aufzuklären, was doch für die Ehrenrettung des jüdischen Namens geboten erscheint.“ – Das ist nicht wahr, denn die Juden haben in der That Geldmittel aufgewendet und der Staatsregierung zur Verfügung gestellt in verschiedenen Fällen, um die Aufklärung der Morde fördern zu helfen, und was war die Folge davon? „Mit Judengeld,“ – sagten und schrieben die Antisemiten, - „soll der Verdacht von Israel abgelenkt, und die Gerechtigkeit auf falsche Fährten geleitet werden.“

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/53&oldid=- (Version vom 31.7.2018)