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Wir wollen annehmen, daß die Übersetzer in keiner Schrift einen Anhaltspunkt für den jüdischen Ritualmord und den Blutgenuß der Juden gefunden haben, würden sich die Antisemiten und alle Anhänger des Ritualmord-Aberglaubens zufrieden geben? Nicht im mindesten. Sie würden sofort in die Welt hinausschreien, das jüdische Geld habe seine alterprobte Wirksamkeit geäußert, sämtliche Übersetzer seien von der israelitischen Allianz erkauft worden, und deswegen hätten sie in den von ihnen zu übersetzenden Schriften einen Anhaltspunkt für den Ritualmord und den Blutgenuß der Juden nicht gefunden.

Andere würden nach Dr. Rohling rufen, dem, wenn nicht alle Schriften, so doch wenigstens eine Anzahl von Stellen zur authentischen Übersetzung zu übertragen wären. Wir wollen annehmen, daß Dr. Rohling dem Rufe auch Folge leistet und gewisse Stellen in derselben Weise, wie er es bereits gethan hat, so übersetzt, daß man aus ihnen den jüdischen Ritualmord und den Blutgenuß der Juden herauslesen kann, was wird die Folge sein? Man wird vielleicht ein Schiedsgericht verlangen. Aber wo findet sich dasselbe? Die Deutsche Morgenländische Gesellschaft, auf die sich früher Dr. Rohling selbst als Schiedsgericht berufen hat, wird von ihm, nachdem sie sich gegen seine Art und Weise, zu übersetzen, ausgesprochen hat, nicht mehr als Schiedsrichterin anerkannt, und so ist die Sache wieder auf ihren alten Stand zurückgekommen. Mein H. Recensent und eine Anzahl von gleichgesinnten seitherigen Anhängern des Ritualmord-Aberglaubens werden der von bewährten Fachmännern gelieferten Übersetzung ihre Zustimmung geben, der große antisemitische Haufe wird nach wie vor die Übersetzung Dr. Rohlings oder Aaron Brimanns als die allein richtige anerkennen, und wenn auch alle Orientalisten Deutschlands dieselbe als falsch erklären.

Ich muß mich darüber wundern, daß Männer, die einen Sitz im preußischen Herrenhause haben, im Ernste daran denken konnten, daß eine Übersetzung der jüdischen Geheimschriften, die ja zum großen Teile bereits wirklich ins Deutsche übertragen sind, den aufgeregten Gemütern eine Beruhigung bringen werde. Sie hätten sich erinnern sollen, daß die Forderung einer authentischen Übersetzung der jüdischen Geheimschriften schon zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen parlamentarischen

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/27&oldid=- (Version vom 31.7.2018)