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Dr. Rohling entlehnt, und wer sich für dieselben interessiert, möge die „Akten und Gutachten in dem Prozesse Rohling c. Bloch nachlesen, wo er die Erklärungen finden wird, welche die von der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft benannten Sachverständigen gegeben haben.

Wenn wir überhaupt die Anschauungen des Talmud über Leib und Leben der Nichtjuden mit den Anschauungen vergleichen, die bei den Kirchenvätern und im Kirchenrechte über Leib und Leben der Nichtkatholiken sich finden, so werden sie wohl, was Milde und Strenge betrifft, einander die Wage halten. Ja, die Juden könnten uns vielleicht den Vorwurf machen, daß im Talmud schon vor vielen Jahrhunderten über Leib und Leben der Nichtjuden eine wahrhaft menschliche, milde Anschauung sich geltend machte, die im 17. Jahrhundert in der katholischen Kirche noch nicht zur allgemeinen Anerkennung gekommen zu sein schien. Im Talmud wird erzählt, die Engel hätten einen Lobgesang anstimmen wollen, als die den Israeliten nachsetzenden Ägypter im Roten Meere ertrunken, die Israeliten aber gerettet waren. Das habe jedoch Gott den Engeln mit den Worten verboten: „Das Werk meiner Hände versinkt im Meere, und ihr wollt vor mir einen Gesang anstimmen?“ Damit vergleiche man nun das Schreiben, welches Papst Urban VIII. am 28. Juni 1631 an den Kaiser Ferdinand II. in Wien gerichtet hat. Er giebt darin seine Freude kund über die Zerstörung der Stadt Magdeburg und wünscht dem Kaiser Glück dazu, daß Tausende und Tausende von Ketzern bei dieser Gelegenheit dem schimpflichsten Tode verfielen und dadurch zeigten, was für ein elendes Los es ist, in die Hände Gottes zu fallen, der die Völker richtet in seinem Grimme. Dann weist der Papst auf den Jubel und Beifall der Engel hin, und fordert den Kaiser auf, daß er das Glück eines so großen Sieges nicht auf die Trümmer der Mauern einer einzigen Stadt beschränken möge. – Ich begreife es, daß man auf seiten der Katholiken die Echtheit dieses päpstlichen Schreibens bezweifelte, als es am 10. Mai 1884 aus dem k. k. Staatsarchiv in Wien veröffentlicht wurde, denn es sticht grell ab gegen die Erzählung, die ich aus dem Talmud entnommen habe. Nichtsdestoweniger habe ich dieses Schreiben erwähnt, um zu zeigen, wie man nicht aus der einzelnen Äußerung eines Papstes auf die Gesamtanschauung des Apostolischen

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/20&oldid=- (Version vom 31.7.2018)