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K. Belka: Der Ritter von Lanvers. In: Die Burg, 3. Jahrgang, S. 6–7

Am nächsten Tage wurde im Angesicht der Belagerten ein Gerüst mit einem Richtblock aufgeführt, und wenige Stunden später ein schwer gefesselter Soldat auf diese Richtstätte hinausgebracht, um die die Truppen in weitem Kreise aufgestellt waren. Neugierig schauten die Ungläubigen von ihren Wällen diesem Schauspiele zu. Schon hatte der Scharfrichter seinen Gehilfen einen Wink gegeben, um den Unglücklichen auf den Bock zu legen, als der Todeskandidat mit dem Mute der Verzweiflung die Scharfrichterknechte von sich abschüttelte, das Henkerschwert ergriff, sich mit wütenden Hieben eine Gasse durch die Umstehenden bahnte und dann in langen Sätzen nach der Stadt zu entfloh, zunächst noch eifrig von unzähligen Leuten verfolgt, die aber bald vor den einen Ausfall machenden Türken wieder umkehren mußten.

Durch diese List, – denn die Hinrichtung und die Flucht des Verurteilten waren auf Vorschlag jenes Soldaten, der sich dem Könige als Spion angeboten hatte, nur zur Täuschung der Belagerten in Szene gesetzt worden, gelangte der angeblich Verurteilte glücklich nach Akkon hinein, wo er dann erzählte, er sei wegen Ermordung und Beraubung eines Kameraden zum Tode verurteilt worden und wünsche jetzt nichts sehnlicher, als gegen die, die ihm nach dem Leben trachteten, kämpfen zu dürfen.

Er wurde wirklich in die Reihen der Ungläubigen eingestellt und hatte nun die beste Gelegenheit, sich in der eingeschlossenen Stadt genau umzusehen. Nach drei Wochen kehrte er in einer finsteren Nacht in das Lager der Kreuzfahrer zurück und erstattete Bericht über das, was er von den Verhältnissen in Akkon beobachtet hatte. Auf Grund seiner Angaben wurde die Bestürmung wieder mit erneutem Eifer aufgenommen, da man jetzt die schwachen Stellen der Befestigungen kannte und auch wußte, daß der Proviant der Belagerten nur noch kurze Zeit ausreichen würde.

Am 12. Juli 1191 kapitulierte die Stadt. Und an demselben Tage soll dann auch der Spion, dessen Schlauheit man diesen Erfolg hauptsächlich zu verdanken hatte, das seine Persönlichkeit umgebende Geheimnis enthüllt haben. Er war niemand anders als ein Französischer Ritter Emicho von Lanvers, der vor vier Jahren aus unbegründeter Eifersucht in maßlosem Zorn seine Gattin erschlagen hatte und deswegen von den weltlichen und kirchlichen Behörden in Acht und Bann getan war.

Von Reue gequält hatte er eine Pilgerreise nach Rom unternommen, wo ihm vom Papst Verzeihung zugesichert worden war, falls er sich im Kampfe gegen die Ungläubigen besonders hervortue, wozu ihm durch jenen Kundschaftergang nach Akkon hinein die Gelegenheit geboten wurde.

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K. Belka: Der Ritter von Lanvers. In: Die Burg, 3. Jahrgang, S. 6–7. Verlag der Paulinus Druckerei, Trier 1915, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritter_von_Lanvers.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)