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sollte, hatte mir ein Tau aus Leinenstreifen gedreht, an dem ich aus einem Fenster des ersten Stockwerkes des rechten Seitenflügels in den Nachbargarten hinabklettern wollte. Die Erdgeschoßfenster waren nämlich vergittert.

Dieser Nachbargarten war dicht mit Sträuchern bestanden, die mir gute Deckung bieten mussten. Wenn ich mir noch ein weißes Tuch umhing, konnte sich meine Gestalt von dem Schnee kaum abheben.

Immerhin blieb’s ein böses Wagnis, dieser Verproviantierungsgang. Aber – es half nichts, – es mußte sein.

Ich will mich bei der Schilderung jenes ersten Ausfluges ins Freie nicht lange aufhalten. Ich hatte großes Glück, erbeutete im dritten Hause nicht nur fünf Brote, sondern auch ein wohl für einen Offizier bestimmtes Paket, in dem ich dann allerlei leckere Sachen: Dauerwurst, Schokolade, Zigaretten und zwei Flaschen Likör – vorfand.

Meine Wohnung war jetzt auch lange nicht mehr so kalt als anfänglich. Das lag daran, daß die Wachmannschaften den Ofen offenbar geradezu bis zum Platzen heizten und dadurch der an meinem Gelaß vorbeiführende Schornstein die Wand etwas miterwärmte. Außerdem brachte ich die Temperatur auch noch durch das Verbrennen von Spiritus auf eine Höhe, dass ich’s einigermaßen behaglich hatte. – –

Es war ein mehr als eigenartiges Dasein, zu dem mich die besonderen Umstände zwangen. Bald hatte ich es mir angewöhnt, am Tage zu schlafen und die Nacht für meine kleinen Arbeiten und Gänge zu benutzen. Dabei war ich mit der Zeit, als ich erst merkte, daß ich mich in einem Versteck recht sicher fühlen durfte, immer kühner geworden. Nur selten kamen am Tage Schaulustige in das Museum. Jedenfalls konnte ich die ersten Vormittagsstunden getrost dazu benutzen, die Säle und Zimmer zu durchstreifen. Vor elf Uhr war noch nie jemand erschienen,

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W. Belka: Der Mumiensaal. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1916, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Mumiensaal.pdf/25&oldid=- (Version vom 31.7.2018)