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Vom Bildermalen

Im Auge liegt das Erkennen, in der Seele die Vorstellung, in den Händen liegt der Wille, die Macht. – In besonders dazu organisierten Individuen kommt die Harmonie zwischen diesen Besonderheiten zur künstlerischen Wesenheit.

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Im einfachsten Stilleben kann die Weltanschauung des Künstlers sich schon äußern – denn, da die bildende Kunst vor allem auf einer ganz besonders entwickelten Feinfühligkeit für den Raum, in dem das Ich sich seiner selbst bewußt wird, beruht, so kann dies Verhältnis des Ichs zum Raum sich am einfachsten Gegenstand schon dokumentieren.

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Ein geborner Realist, wollte ich nichts anderes malen, als was ich selber gesehen, ja selber gelebt hatte – wo ich hinschaute, sah ich auch Schönes genug. –

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Zuerst trat ich mit einem kleinen Bildchen: das braune Bernauer Bächlein im moosgrünen Tannenwald, an die Öffentlichkeit des Kunstvereins; die Kritik war sehr günstig, es wurde genannt: „Ein Anklang an Hebel, voll Seele“ – auch ein zweites Bild, der „Bienenvater“, wurde ebenso günstig beurteilt – beide wurden auch angekauft Wie fühlte ich mich da glücklich, von der Gunst des Publikums getragen.

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Möge man diese bunten Erinnerungen etwa als einen Feldblumenstrauß betrachten, der ohne System und Absicht lose zusammengebunden ist, gepflückt an der Oberfläche, die sich über dem tieferen Abgrund des Daseins ausbreitet, die geblümt gemacht ist, damit man nicht jeden Augenblick zum Schaudern kommt vor der Unergründlichkeit. Die tiefere Geschichte des Lebens erlebt ohnehin jeder Mensch selbst, und die sieht sich wohl bei allen so ziemlich ähnlich – wir kennen sie ja alle, die alte Geschichte, die mit Adam und Eva ihren Anfang genommen hat.


Empfohlene Zitierweise:
Joseph August Beringer (Hrsg.): Der Malerpoet. Delphin-Verlag München, München 1917, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Malerpoet.pdf/30&oldid=- (Version vom 31.7.2018)