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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

So im Jahr 1544. Da war zwischen einem schweizerisch gesinnten Prediger Tossanus in Mömpelgard und dem von dem Herzog Christoph von Würtemberg dahin gebrachten streng lutherischen Hofprediger Johann Engelmann ein Streit über die Frage ausgebrochen, ob auch der Unwürdige Leib und Blut Christi im Abendmahl geniesse? Bucer hatte dem Brenz die erste Nachricht von dem Ausbruch dieses Streites mitgetheilt und ihn gebeten dazwischen zu treten. Brenz ging auf die Bitte ein und schrieb an Engelmann: „auch ich glaube zwar, dass nicht bloss Würdige, sondern auch Unwürdige im Abendmahl den wahren Leib und das wahre Blut Christi, jene zum Heil, diese zum Gericht, empfahen. Doch weiss ich, dass Tossanus sich in der Lehre vom Abendmahl zur Augsburgischen Confession bekennt und nicht in Abrede zieht, dass die Unwürdigen im Abendmahl den Leib Christi empfangen, sondern die Entscheidung darüber nur den frommen und gelehrten Männern überlassen will. Darum glaube ich nicht, dass man ihn verdammen und sich seiner entschlagen darf. Es ist schon rühmlich, wenn Einer nur das, was er selbst nicht recht versteht, dem Urtheil Gelehrter überlässt. Du weisst aber, dass man die Abendmahlsgemeinschaft mit Anderen nicht um des Guten, sondern um des Schlimmen willen, das sie an sich haben, meiden soll. Möglich wäre es wohl, dass die, mit denen Du zu thun hast, ihre Zwinglische Ansicht durch Worte verdecken und anders denken als sie reden. Aber sind die Worte fromm, so will ich doch nach der christlichen Liebe lieber das Beste glauben, als auf einen blossen Verdacht hin allzustreng urtheilen, zumal da Gott mir nicht befiehlt, Richter der Herzen zu sein. Das grösste Recht ist oft das grösste Unrecht, und wer die Nase allzuhart schnäuzt, der bringt Blut heraus, sagt Salomo. Gesetzt jene Leute betrügen mich, so betrügen sie doch nicht mich, sondern Christum, den Sohn Gottes, der sie einst ohne Zweifel darum strafen wird. Bedenke doch, lieber Freund, die Ursache des Streits. Wie, ist es nicht schändlich, wenn fromme Leute mit einander Zank anfangen wegen des Abendmahlsgenusses der Gottlosen? Soll ich Zwietracht in der Kirche anrichten und sie verderben um derer willen, die nicht zur Kirche gehören oder bloss falsche Glieder der Kirche sind? Wie, sagt

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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/258&oldid=- (Version vom 1.10.2017)