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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

und ihre ungewöhnlichen Gebräuche aufzudringen, und eine neue Heuchelei anzurichten.[1]

 Der Ausgang des Gesprächs hatte die Folge, dass Lasco auch aus Würtemberg ausgewiesen wurde. Brenz aber gab darauf hin (nach 1556) drei Predigten über 1 Cor. 11 heraus, worin er die Lehre von der leiblichen Gegenwart Christi im Abendmahl auseinandersetzte.

 In der Schweiz war man sofort betroffen darüber, dass auch Brenz sich in die Reihe der Gegner stelle, und noch bis in die neueste Zeit hinein macht man ihm einen Vorwurf aus seiner Stellung zu Lasco, und erinnert man daran, dass er in der Zeit des Interims in der Schweiz sei gastlich aufgenommen worden und bis dahin in den freundlichsten Beziehungen zu den Schweizern gestanden habe.

 Und doch ist diese Stellung des Brenz leicht zu erklären und so, dass ihn kein Vorwurf trifft.

 Brenz hatte sich von jeher zu Luthers Lehre vom Abendmahl bekannt. Wie es sich mit seiner im syngramma suevicum 1525 niedergelegten Lehre verhält, ob da Ebrard oder Hartmann Recht haben, darauf brauchen wir uns hier nicht einzulassen. Hat er doch dem Marburger Gespräch 1529 beigewohnt, hat er doch die Augustana mit berathen, und legt er doch in seinem Testament ein Zeugniss dafür ab, dass er allezeit ein Gegner der Zwinglischen Lehre gewesen sei. Ihm mehr als Anderen konnte dann bei den Drangsalen, die er im Interim erlitten, der Gang der Dinge eine Weile aus den Augen kommen. Daraus erklärt sich sein bisheriges Stillschweigen. Jetzt sah er mit der gleichen Ueberraschung wie die anderen Lutheraner, wie reformirter Seits das bisherige Stillschweigen der Lutheraner anders gedeutet wurde. Das allein schon konnte ihn zum Auftreten bewegen. Dazu kommt aber noch das Gebahren Lascos, auf das wir noch einmal zurückkommen müssen.


  1. Die Briefe lateinisch in Löscher, historia motuum II, 139 und deutsch in der Historie des Sacramentsstreits p. 554. Hospinian (p. 245) berichtet etwas anders über das Colloquium. Brenz, von Lasco in die Enge getrieben, habe die Aeusserung gethan: Christum non vere et natura hominem fuisse, sed phantasia tantum etc... Auch Planck nennt diese Erzählung grundlos.
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/202&oldid=- (Version vom 1.10.2017)