Seite:Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl.pdf/196

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

sei. Warum, fragt Westphal, wird denn aber jetzt von Zwingli und Oekolampad behauptet, sie würden von dem, was sie damals lehrten, wenn sie jetzt lebten, kein Wort zurücknehmen, und warum wird diese constantia an ihnen gerühmt?[1] Warum wird ein consensus ausgegeben, in welchem man den Irrthum Zwinglis approbirt? Schon das allein erweckt ja den Verdacht, dass man die gleiche Lehre habe. Freilich, fährt er fort, spricht man jetzt viel von einer exhibitio corporis Christi. Was bürgt aber dafür, dass das aufrichtig gemeint ist? Schon Luther sah sich veranlasst, die Frankfurter zu warnen, sie sollten sich dadurch nicht täuschen lassen, dass die Zwinglianer die gleiche Rede wie er führten, sie meinten es doch anders. Man hat Ursache anzunehmen, dass es sich bei Calvin nicht anders verhält. Vor fast 20 Jahren hat er die substantielle Gegenwart offen geläugnet. Da schrieb er: „Christus bietet sich den Gläubigen als gegenwärtig dar, nicht anders als wenn er mit dem Leib zugegen wäre. Eine Kraft reicht Er uns dar, aber nicht seinen Leib. Nicht die substantia corporis, nicht der wahre und natürliche Leib Christi wird gegeben, sondern nur alle die Wohlthaten werden dargereicht, die Er uns in seinem Leibe erwiesen hat.“[2] Das war noch deutlich geredet. Dass aber Calvin auch in seiner letzten Schrift, so viel er auch von einer exhibitio corporis Christi rede, es nicht anders meint, das will Westphal jetzt beweisen.

 Von den zehn Beweisen, welche er beibringt, heben wir nur den ersten heraus.

 Wie Calvin, sagt er, in der vorhin angeführten Stelle den Satz, dass Christi wahrer und natürlicher Leib gegeben werde, in den umdeutet, dass wir der Wohlthaten theilhaftig würden, welche Er in seinem Leibe uns erwiesen, so spricht er in seiner letzten Schrift von einem vigor und einer virtus, welche uns mitgetheilt werde. Christus, sagt Calvin, hebt uns zu sich hinauf, um vivificum carnis vigorem in uns einzugiessen. Christus, der im Himmel bleibt, steigt zu uns herab mit seiner virtus. Den Satz der Kirche: Christi Leib werde uns dargereicht, setzt also Calvin um in den: sein vigor, seine virtus werde uns dargereicht.


  1. p. 48.
  2. p. 55.
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/196&oldid=- (Version vom 1.10.2017)