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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

Antwort auf Westphals Schrift: ad cujusdam sacramentarii falsam criminationem justa defensio. 1555. Der anderen (ultima admonitio J. C. ad J. W. cui nisi obtemperet, eo loco habendus erit, quo pertinaces haereticos haberi jubet Paulus. 1557.) waren eine Schrift Westphals gegen Lasco und die von Westphal 1557 eingeholten responsa der niederdeutschen Ministerien vorangegangen.

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 Wir lassen uns durch das stereotyp gewordene Urtheil über diese Schriften Westphals und Calvins nicht einschüchtern und halten zuförderst die Behauptung aufrecht, dass der Ton, in welchem Calvin schreibt, ein eines solchen Mannes unwürdiger ist, es ist der Ton maassloser Selbstüberhebung und tiefen Hochmuths. Diesen Ton darf man nicht vergleichen mit dem, der in manchen polemischen Schriften Luthers zu finden ist. Luther ist wohl derb, ja grob, aber mit so ausgesucht kühler Verachtung hat er keinen Gegner behandelt, wie Calvin den Westphal, und seine geistige Ueberlegenheit hat Luther nie seine Gegner so fühlen lassen, wie es hier Calvin mit eisiger Kälte thut. Wir haben oben schon eine Mittheilung aus der der ersten Schrift vorangestellten französischen Zuschrift gemacht. Wollte man eine Blumenlese aus den Schriften beider Männer zusammenstellen, so liesse sich leicht zeigen, dass der Ton in Westphals Schriften weitaus würdiger und maassvoller ist, und dass die starken Aeusserungen, welchen wir da und dort bei Westphal begegnen, von denen Calvins weit überboten werden. Man könnte nun zur Entschuldigung Calvins anführen (reformirter Seits geschieht es nicht, denn von daher findet man den Ton und die Schreibweise Calvins ganz in der Ordnung), dass die Entrüstung über die Störung des Friedens, die er dem Westphal Schuld gab, darin ihren Ausdruck fand, aber zu so weit gehender Entrüstung hatte Calvin kein Recht. Wir wollen gern seinem Standpunkt Rechnung tragen. Glaubte er einmal, die in dem consensus Tigurinus niedergelegten Lehren könnten beide Theile sich aneignen, und zog er aus dem bisherigen Schweigen von Seite der Lutheraner den Schluss, dass eine solche Einigung wenigstens auf dem Weg sei, so musste die Enttäuschung, die er jetzt erlebte, ihm nothwendig Unmuth erregen. Aber in der Weise, wie er es gethan, hätte er seinem Unmuth höchstens dann Raum

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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/188&oldid=- (Version vom 1.10.2017)