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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

Betreiben der Geistlichkeit. Die Ausweisung aus Dänemark mochte von vornherein Verdacht gegen sie erweckt haben. Ueberall nahm man sie daher mit Misstrauen auf, meist bezeichnete sie das Gerücht als Anabaptisten, wozu sie selbst in Wismar dadurch Anlass gaben, dass sie eine Weile freundlich mit Menno Simonis verkehrten, aber freilich nur eine Weile, denn bald zerfielen sie mit ihm. An allen Orten überzeugte man sich zwar bald, dass sie mit dem Anabaptismus nichts zu schaffen hätten, aber dass sie der lutherischen Lehre vom Abendmahl nicht zugethan seien, bezeugten sie selbst. Bei allen den Colloquien, welche Micronius, der sich von Lasko getrennt und von Wismar an die Führung der Flüchtlinge übernommen hatte, der Reihe nach in Wismar, Lübeck, Hamburg, an letzterem Ort mit Westphal, gehalten hatte, war ihre Haltung stets die gleiche gewesen. Sie erklärten die lutherische Lehre vom Abendmahl, welche sie freilich missverstanden, für schriftwidrig, ihre Lehre für die schriftgemässe, daher sie auch stets mehr als nur Duldung in Anspruch nahmen. Und jedesmal darin lag der Grund ihrer Ausweisung. Erst in Emden, auf befreundetem Boden, wo sie zu Ostern 1554 ankamen, fanden diese Flüchtlinge Aufnahme.

 Dass die Erlebnisse dieser Fremdengemeinde in Deutschland, so weit sie bekannt wurden, Aufsehen, in den reformirten Kreisen Entrüstung erregten, ist natürlich. Es wird heut zu Tage niemand das Verfahren, das sie zu erdulden hatten, einfach und unbedingt billigen. Ehe man aber das gleiche Verwerfungsurtheil über jene Magistrate und Geistliche fällt, welches man in reformirten Kreisen ausgesprochen hat und ausspricht, wird man sich die Vorgänge doch genauer erst anzusehen haben, und dabei auch nicht ausser Acht lassen dürfen, dass wir die Kunde aller Vorgänge aus einer Quelle schöpfen mussten, welche selbst Planck eine etwas verdächtige nennt, aus der einseitigen Relation eines ihrer Prediger.[1]

 Nach diesem Berichterstatter bestand das Hauptunrecht, das man diesen Exulanten angethan hat, darin, dass man


  1. Wir besitzen ausser diesem Bericht Utenhovens, den Hospinian (hist. sacr. II, 224–243) mittheilt, nur noch einen Bericht Westphals über seine Unterredung mit Micronius in Timann’s farrago p. 193.
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/179&oldid=- (Version vom 1.10.2017)