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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

darstellen, noch den jüngsten Biographen Calvins reden lassen, zum Zeugniss dafür, dass den Westphal in Niedersachsen wohl anging, was Calvin in Savoien erstrebte und plante, und dass Westphal nicht zu schwarz sah, als er meinte, die lutherische Kirche sei gefährdet.

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 Stähelin schreibt[1]: „Calvins Absicht ging dahin, die im besonderen Sinn so zu nennende lutherische Richtung durch die neben ihr hergehende Melanchthonische, an die seine eigene sich anschloss, zu überwinden und zu modificiren – eben so wie er es bei der Zwinglischen in der Schweiz versucht und zum Theil durchgesetzt hatte – so verfolgte er solches Ziel aus dem doppelten Grunde: zuerst aus dem dogmatischen, weil er seine Lehrauffassung in dem streitigen Punkte schon an und für sich für die schriftgemässere, die ewige Wahrheit reiner und völliger ausdrückende, hielt; und zum andern, aus dem kirchlich politischen, wonach er in ihr zugleich die einzig mögliche Grundlage erblickte, auf der sich die gesammte evangelische Christenheit zu der viel ersehnten, von dem Herrn gebotenen, Einheit zusammenfinden könne... [2] Um die Zeit von 1549–1551 hatte es nun den Anschein, als ob der grosse Kirchenmann mit dieser seiner Einheitstendenz dem Ziel nicht mehr fern sei. Wenn man die von Rom losgerissene Christenheit überblickte, so standen die Gläubigen Frankreichs, Englands, Polens, Böhmens, der Niederlande, des südlichen und westlichen Deutschlands durchweg in dem Verhältnisse zu einander und weiter zu der Genfer Kirche – den Meisten die Mutterkirche! – wie Calvin es fürs Erste anstrebte. In der reformirten Schweiz vollends war bereits auch der weitere Schritt gethan und eine ausgesprochene dogmatische Einigung hergestellt. Nur eine Provinz hielt sich noch bei Seite und schloss mehr oder weniger von dem Gemeinschaftsbunde sich aus: das nordöstliche (sächsische) Deutschland mit den geographisch dazu gehörigen dänischen Landschaften. Denn hier war das eigentliche Wiegenland der lutherischen Reformation, in der begreiflicher Weise ihre Anschauungen und


  1. Johannes Calvin von D. E. Stähelin II. p. 198.
  2. Ibid. p. 203.
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/173&oldid=- (Version vom 1.10.2017)