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waren wie die Leidenschaft, die ihn beseelte, stiess ihn vorwärts. Wichtigkeit, ob er eine Wohnung hatte oder nicht! Er hatte schon oft im Freien kampiert. Was bedeutet das für einen, der tausend Nächte seiner Jugend draussen auf dem Meere gefischt hatte. Schlimmstenfalls ging er abends auf das nächste Polizeirevier und bat um ein Obdach. Keiner brauchte in Berlin in einer Winternacht im Freien zu erfrieren. Jetzt mal losgelaufen! In dreissig Minuten muss[1] die Strecke bis zur Fasanenstrasse geschafft werden.

Er stürmte los. Vergessen war Armut und Obdachlosigkeit. Er dachte nur an Jo, sah deutlich vor sich ihr Gesicht, ihr Haar unter dem braunen Hütchen, ihr Lächeln, ihre blühende Wärme. Hörte wieder ihre Stimme gut und lieb und vertraut zu ihm reden. Und erst, als er im zweiten Stock vor der Tür der Pension Quisisana läutete, fiel ihm ein, dass er den Koffer in der Hand hatte. Unterwegs hatte er das schwere Ding – die Bücher wogen doch allerhand – nicht gespürt. Wohin damit? Er überlegte, wo er das sichtbare Zeichen seiner Exmission verbergen könnte. Da öffnete ein Mädchen in Haube und Tändelschürchen die Tür.

„Ich möchte zu Fräulein Ternitz,“ bat er scheu.

Die Zofe verbarg ihr Erstaunen nicht. Sie hatte den Mann für einen der zahllosen Bettler gehalten, „schofel“ wie er aussah.

„Bitte,“ fragte sie zögernd, „weiss Fräulein Ternitz Bescheid?“

„Ja.“

Sie liess ihn trotzdem nicht ein.


  1. Vorlage: musst
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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/63&oldid=- (Version vom 31.7.2018)