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Eine beglückende Akustik half ihm. Die Stimme siegte über die vom Staunen erstickten Laute der Empörung der Gerichtspersonen. Sie waren vor Bestürzung und Überraschung ob dieses Ungeheuerlichen, Niegeschehenen, Staatswidrigen gelähmt und erschlagen. Das Publikum schwieg und lauschte in Erwartung, in Spannung, in aufrichtiger Kritik, in Freude und Gaudium am Verrückten, am Originellen.

Die Stimme wuchs und schwoll an, getragen von unbeugsamen Willen und zähem Fanatismus des Sängers.

Nur wenige Augenblicke blieben ihm. Nur die kurze Spanne Zeit die der Vorsitzende brauchte, sich von seiner Verdutzheit, seiner stupenden Verblüffung über diesen unverschämten Überfall zu erholen. Doch diese kurzen Augenblicke schwelgte die Volksliedstimme und ihr hinreissender Schmelz.

Dann donnerte der Vorsitzende los: „Ruhe. Schweigen Sie! Schweigen Sie sofort.“

Doch jetzt war das Publikum entzündet, zur Revolution aufgeputscht. Es wehrte sich, rebellierte.

Weiter singen! Singen lassen! Mehr hören!

Die hellen Stimmen führten den Chor des Aufruhrs. Heise sang, sang hinein in die Revolte.

Der Präsident schwang die Glocke. Heise sang das Abschiedslied. Das Publikum stob auf von den Sitzen. In den Damen von Berlin erwachte die Auflehnung, die allen Frauen im Blut liegt. Sie benahmen sich zügellos wie ihre Schwestern von anno 1789, die als Erste zum Sturm auf

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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/167&oldid=- (Version vom 23.8.2020)