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nur voll Bangen an die Gewaltreklame, die er mit Baras Namen gemacht hatte, an die verlorenen Kosten und an seine gefährdete Revue. Und sah sehr deutlich, dass der grosse Sänger auf seinem heroischen Rückzug in der Seitensoffitte Halt gemacht hatte, als dieser stupide Chorist ihn mit seiner Irrsinnsbitte ansprang und argwöhnisch lauschte, als er zu singen begann.

Da durchblitzte den mit allen Wassern gewaschene Berliner Bühnenleiter ein kühner Gedanke. Hier half nur ein verwegener Coup. Diesen hochnäsigen Gesellen, den Bara, bei seiner stärksten Begabung packen, bei seiner Eitelkeit. Er riskierte es. Er strich sich das glattrasierte Kinn, dass es kratzig schabte in die erwartungsheisse Stille, und sagte nachdenklich:

„Haben eine ausgezeichnete Stimme, mein Lieber. Sind mir schon lange im Chor aufgefallen.“

In Wahrheit sah er den Friesen heute zum ersten Mal bewusst auf seiner Bühne. „Kommen Sie mit ins Büro. Wir wollen die Sache besprechen.“

Und zur Allgemeinheit gewandt, rief er: „Die Probe ist auf fünf Minuten unterbrochen. Keiner rührt sich von seinem Platz.“

Da griff das Wunder auf die andern über. Der feixende Hohn wandelte sich in bestürzten Neid, in fassungslose Achtung. Sollte dieser Chorist, dieser Mensch der Masse, dem nie die kleinste Solopartie anvertraut worden war, wirklich mit einem Riesen-Saltomortale die tragende Rolle, die Rolle des Prominentesten unter den Prominenten, die

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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)