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täuschen, daß sie sich schwer vor dieser Pest verwahren, und, wenn sie sich davor wahren wollen, der Mißachtung sich blos zu stellen befahren müssen. Denn es giebt keinen andern Weg sich vor Schmeicheleien zu sichern, als wenn die Leute glauben daß sie dich nicht beleidigen, indem sie dir die Wahrheit sagen. Wenn aber ein Jeder die Wahrheit sagen darf, so fehlt dir die Ehrfurcht. Deßwegen muß ein kluger Fürst einen dritten Weg einschlagen, indem er aus seinem Staate weise Männer auswählt, und diesen allein die Freiheit, das Wahre ihm zu sagen giebt, und auch nur über solche Dinge, nach denen er fragt, und über nichts weiter: er muß sie aber nach allem fragen, und ihre Meinungen hören; sodann für sich selbst auf seine Weise entscheiden: und gegen diese Räthe und jeden von ihnen insbesondere sich so bezeigen, daß sie alle einsehen, je freier man spricht, um so willkommener werde es ihm seyn. Außer Diesen muß er niemand hören wollen, beschlossener Sache treu, und in seinen Beschlüssen hartnäckig seyn. Wer anders handelt, kommt durch die Schmeichler entweder zu Fall, oder er zeigt sich bald so, bald anders, nach der Verschiedenheit der Bedünken, wodurch sein Ansehen vermindert wird. Ich will zu diesem Zweck ein neueres Beispiel anführen. Der Pater Provinzial Lukas, des jetzigen Kaisers Maximilian Geschäftsmann, sagte, als er auf seine Majestät zu reden kam, daß sie sich nie mit einem Menschen beriethe, und doch nie etwas nach eignem Sinne thät. Welches in seinem, dem obigen entgegengesetzten Benehmen lag. Weil der Kaiser ein verschlossener Mann ist, hört er auf Keines Meinung, vertraut Niemandem seine Pläne an; sowie sie aber bei der Ausführung kund und ruchbar werden, fangen Die, welche um ihn sind, sie zu bestreiten an,

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Niccolò Machiavelli: Der Fürst. Stuttgart, Tübingen 1842, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_F%C3%BCrst_(Machiavelli_Regis)_116.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)