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der entgegenstehenden schmalen Seite angebaute Thor stammt aus einer späteren Zeit. Außer der einsamen Wohnung des zeitigen Opfermanns und Schullehrers zu Roda, welcher einiges Land zu seinem Unterhalte baut, findet sich kein anderes Gebäude auf diesem wildromantischen Berggipfel.

Rings herum erblickt man Gebirge und Waldung; nur auf einer Seite sieht man nordwestlich das kurhessische Dorf Wollmar, und das groß-herzogl. hessische Städtchen Battenberg. Ueber den Ursprung der Christenberger Kirche ist eine alte merkwürdige Ueberlieferung vorhanden. Sie soll nämlich aus einem heidnischen, dem Kastor geweihten Tempel entstanden, und schon in den Zeiten der Karolinger zu einer christlichen Kirche eingerichtet worden seyn.[1][WS 1] Sage und Volks-Glaube geben sie für die erste christliche Kirche in Deutschland aus, welche Karl Martell im Jahre 716 erbaut habe, als er gegen die Sachsen im Anzuge war, und bei der Stadt Frankenberg mit seinem Heere stille lag.[WS 2]


  1. Auf eine ähnliche Art ist der viereckte Tempel Odins bei Upsala später in eine christliche Kirche eingebaut worden.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. In der Forschung zu den frühchristlichen architektonischen Praktiken, und zur Frage, inwieweit die frühen Christen gänzlich neue Tempel gebaut haben oder schon gebaute heidnische Tempel in christliche Tempel umgeweiht haben, werden frühchristliche Kirchen von Jan Vaes in drei Hauptkategorien eingeteilt. Zu den sogenannten domus ecclesiae zählt er vornehmlich Privatbauten (wie z.B. Wohnungen), die als Kirchen eingeweiht wurden. Die weitere Kategorie, zu der seiner Kategorisierung nach die sogenannten ex novo-Kirchen gehören, umfasst diejenigen Kirchen, die entweder als gänzlich neue Objekte gebaut oder als Privatkomplexe übernommen wurden und dann als Kirchen eingeweiht wurden. Zu der dritten Kategorie zählt er diejenigen Kirchen, die anhand des Prozesses der Umweihung heidnischer Tempel entstanden sind. Vgl. Vaes, Jan: CHRISTLICHE WIEDERVERWENDUNG ANTIKER BAUTEN: EIN FORSCHUNGSBERICHT, in: Ancient Society, Bd. 15/17, S. 312-313, http://www.jstor.org/stable/44080245. [abgerufen am 05.02.2024])
  2. Die in diesem Absatz erwähnten Kriegszüge Karl Martells gegen die Sachsen werden von Matthias Springer in die Vorgeschichte zu den Sachsenkriegen Karls des Großen eingeordnet. Springer bietet die folgende zusammenfassende Darstellung der Vorgeschichte zu den Sachsenkriegen Karls des Großen an: „Nach der Auskunft der Reichsannalen ist Karl der Große 772 „zum ersten Mal nach Sachsen gezogen“ (6, 32). Über die Beweggründe des Krieges machen die Jahrberichte keine Angaben. Einhards diesbezügliche Ausführungen können so verstanden werden, daß der Krieg nur deshalb losgebrochen sei, weil die Franken die alltäglichen Grenzverletzungen der Sachsen nicht mehr hätten hinnehmen wollen (9, 8). In der Tat ist von einigen Forschern die Meinung vertreten worden, daß die Sachsenkriege das Ergebnis „einer historischen ,Eskalation'“ gewesen wären und daß Karl der Große bei seinem ersten Feldzug noch gar nicht an die Unterwerfung des Landes und die Einführung des Christentums gedacht hätte. Abgesehen davon, daß wir keine sicheren Aussagen über die Pläne des Krieges machen können, wird man Karls des Großen Vorgehen in die Politik seiner Vorfahren seit Karl Martell (✝ 741) einreihen müssen. Der Hausmeier und seine Nachkommen unterwarfen schrittweise die Randgebiete des Frankenreichs, die während der vorhergehenden Jahrzehnte so gut wie selbständig geworden waren: Friesland, Schwaben, Thüringen, Aquitanien, Baiern. Der Vorgang war erst mit Karl dem Großen abgeschlossen. Man wird einwenden, daß Sachsen nicht mit diesen Herzogtümern vergleichbar sei. Aber seit Karl Martell, dem Großvater — Spalte 110 Karls des Großen, bildete das Land mindestens etwas, das nach den Begriffen der Neuzeit als frankisches Einflußgebiet zu bezeichnen wäre.“; Springer, Mathias: Sachsenkriege, in: Germanische Altertumskunde Online, hg. von Brather, Sebastian; Heizmann, Wilhelm und Patzold, Steffen, Berlin, New York, 2010, https://www.degruyter.com/database/GAO/entry/RGA_4822/html [abgerufen am 07.02.2024]; Als einen Teil des Hintergrunds der oben angeführten Kriegszüge Karl Martells gegen die Sachsen werden die Grenzvorstöße durch die Sachsen betrachtet. Die heidnischen sächsischen Gruppen, so Andreas Fischer, hätten versucht, die durch die pippinidisch-karolingische Sukzessionskrise ausgelöste Instabilität dazu auszunutzen, um ihre schon vorhin ablaufenden Grenzvorstöße ins Frankenreich nunmehr mit zunehmender Häufigkeit vorzunehmen.; Fischer, Andreas: Karl Martell: Der Beginn karolingischer Herrschaft, S. 79-84, Stuttgart, 2012.)
Empfohlene Zitierweise:
Karl Wilhelm Justi: Der Christenberg, in Oberhessen. , Marburg ; Cassel 1820, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Christenberg,_in_Oberhessen.pdf/2&oldid=- (Version vom 23.2.2024)