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deutschen Vorfahren hatten jedoch keine Tempel, sondern nur geweihte Haine und Gebüsche, worin sie ihre Gottheiten verehrten; „denn sie hielten, wie Tacitus sagt, dafür, daß die Himmelsgötter zu groß seyn, um sie zwischen Tempelmauern einzuschließen, oder ihnen menschliche Gestalt anzugleichen.“[WS 1] Eben so waren ihnen Kastor und Pollux unbekannte Gottheiten. Sollten sie daher diesen beiden, ursprünglich griechischen, und dann auch von den Römern verehrten Heroen, ihre Verehrung geweiht haben, so müßten ihnen diese ausländischen Gottheiten erst durch die Züge der Römer in ihr Vaterland bekannt geworden seyn[WS 2]; oder die Römer selbst müßten, nach einem erfochtenen Siege, dem sie, nach ihrem Glauben, beschirmenden Kastor, aus Dankbarkeit, einen Tempel auf diesem Berggipfel errichtet haben. In der Folge hätte dann von unsern Vorfahren eine ähnliche schützende Gottheit, etwa der Thor, oder Ostar (sonst auch Aster, Easter, Astar genannt) in diesem Tempel verehrt, und der Name Ostar mit Kastor verwechselt worden seyn können.[WS 3]

Allein die ganze Annahme, daß der mittlere Theil der Christenberger Kirche der Ueberrest eines

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Weil Justi anführt, dass die Germanen „nur geweihte Haine und Gebüiche, worin sie ihre Gottheiten verehrten hatten“, hatten und weil er anführt, dass sie keine Tempel gebaut hätten, kann die Annahme getroffen werden, dass er sich auf die im Folgenden in deutscher Übersetzung und im lateinischen Original wiedergegebene Stelle aus Tacitus‘ Germania bezieht: „Von den Göttern verehren sie am meisten den Merkur, dem an bestimmten Tagen sogar Menschenopfer dazubringen sie für geboten halten; (dagegen) Herkules und Mars suchen sie durch Opfer zugelassener Tiere gnädig zu stimmen. Ein Teil der Sueben opfert auch der Isis; (doch) woher der ursprüngliche Anlaß für diesen fremden Kult kommt, habe ich nicht recht erfahren können, abgesehen davon, daß ihr Bildsymbol selbst, nach Art eines Liburnerschiffes gebildet, lehrt, der Kult sei auf dem Seeweg hingekommen. Dagegen glauben sie, es sei der Hoheit der Himmlischen nicht angemessen, Götter in Wände einzuschließen oder sie irgendwie nach Art des menschlichen Aussehens nachzubilden. Sie weihen ihnen (vielmehr) heilige Haine und Wälder und benennen mit Götternamen jenes geheimnisvolle Wesen, das sie nur in frommer Schau schauen.“ ; Lateinischer Original „Deorum maxime Mercurium colunt, cui certis diebus humanis quoque hostiis litare fas habent: Herculem ac Martem concessis animalibus placant. pars Sueborum et Isidi sacrifacat: unde causa et origo peregrino sacro, parum comperi, nisi quod signum ipsum in modum Liburnae figuratum docet advectam religionem. ceterum nec cohibere parietibus deos neque in ullam humani oris speciem assimulare ex magnitudine caelestium arbitrantur: lucos ac nemora consecrant deorumque nominibus appellant secretum illud, quod sola reverentia vident.“ Tac. Germ. 9,1; Tacitus, Germania, S. 88-89, in: Griechische und lateinische Quellen zur Frühgeschichte Mitteleuropas bis zur Mitte des 1. Jahrtausends u. Z., hg. von Herrmann, Joachim, Berlin, 1990.
  2. Mehr zum Bild der Germanen in der antiken Literatur, im gleichnamigen Aufsatz von Alexander Demandt: Demandt, Alexander: Das Bild der Germanen in der antiken Literatur, in: 2000 Jahre Varusschlacht: Geschichte – Archäologie – Legenden, hg. von Baltrusch, Ernst; Hegewisch, Morten; Meyer, Michael; Puschner, Uwe und Wendt, Christian; Berlin, Boston, S. 59-70, 2012, https://doi.org/10.1515/9783110282511.59. [abgerufen am 05.02.2024]
  3. Justi führt nicht an, um welche genaue Schlacht es sich handelt, was vermutlich auf das Nicht-Vorhandensein einer solchen Angabe in der ursprünglichen Quelle oder mündlichen Überlieferung, die er konsultiert hat bzw. wiedergibt, zurückzuführen ist. Da Christenberg, Teil der geographischen Gegend um Burgwald war und ist, die wiederum der am Anfang des 2. Jh. n. Chr. gegründeten Civitas Taunensium angehörte, kann davon ausgegangen werden, dass die von Justi wiedergegebenen Ereignisse, einen Bezug auf irgendeine Schlacht aus den Chattenkriegen ausdrücken, die auf der entsprechenden Gegend um den Christenberg stattgefunden hat, denn die Eroberung der Gebiete der zukünftigen Civitas Taunensium erfolgte im Rahmen der im Zeitraum von 83 n. Chr. Bis 85 n. Chr. stattgefundenen Chattenkriege. Die Auffindung der konkreten Schlacht, falls es eine solche Schlacht tatsächlich gab, bedarf einer gesonderten geschichtswissenschaftlichen, archäologischen oder interdisziplinären Untersuchung. Eine Auseinandersetzung mit der Chronologie der Chattenkriege bietet der folgende Beitrag: Braunert, Horst: Zum Chattenkriege Domitians, in: Bonner Jahrbücher, Bd. 153, S. 97-101, 1953, https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/bjb/article/view/75441. [abgerufen am 05.02.2024]
Empfohlene Zitierweise:
Karl Wilhelm Justi: Der Christenberg, in Oberhessen. , Marburg ; Cassel 1820, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Christenberg,_in_Oberhessen.pdf/10&oldid=- (Version vom 14.2.2024)