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Anni Wiek erwiderte schnell: „Darüber hat sich Tussy nie auslassen wollen – –“ Und die weinende Tussy flüsterte stammelnd: „Ich – ich – wollte – das – Geld – anonym – an Lerz schicken, denn – ich glaubte, er besäße nichts und – und – nun bin ich ganz verwirrt, daß er Vermögen haben soll – –“

„Hat er –!“, betonte Harst und lächelte insgeheim, „Sie haben also geglaubt, Fräulein Tussy, daß Lerz ein raffinierter Mitgiftjäger wäre?! Wie töricht Sie doch waren! Lerz ist ein Prachtkerl, der Sie von Herzen gern hat. Von einem Erpresser hat er genau soviel an sich, wie ich – –!“

Tussy weinte stille Reuetränen – – Leider sollte diese Radikalkur eines lieben, nur zu eifersüchtigen Mädels eine sehr aufregende Unterbrechung erfahren. Wir vernahmen plötzlich im Treppenhaus einen gellenden Hilferuf und ein wildes Kreischen, – wir stürmten hinaus und fanden den Rentner Motz auf dem Treppenabsatz liegen. Sein bisher verschwunden gewesenes Lorchen hockte, wild mit den Flügeln schlagend, in einer Ecke – –

„Man hat auf mich geschossen –“, rief Motz uns entgegen. „Das muß der Kerl von oben gewesen sein.“

Woher das Geschoß gekommen, wußte wirklich niemand. Nicht der geringste Knall war zu hören gewesen, und bei den Mädchen hatte doch die Zimmertür nach dem Flur offen gestanden.

Zum Glück erwies sich die Verletzung des Rentners als so geringfügig – es war nur eine blutige Stelle an der Wade, und die Kugel war nicht zu finden –, daß Harst zu Motz gut gelaunt sagte: „Da haben Sie wirklich erstaunlichen Dusel entwickelt, mein Lieber. Überhaupt waren ja all diese Schüsse, sowohl der auf mich, wie der auf Lerz, nur Bluff. Der Schütze war sich seiner Sache ganz sicher, daß er keinen ernsthaften Schaden anrichten

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Max Schraut: Der Bluffer. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1934, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Bluffer.pdf/57&oldid=- (Version vom 31.7.2018)