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die romantischste und malerischste Scenerie des Rheinstromes, längst welchem die Straße fast ununterbrochen dahin läuft. Nichts vermag einen Begriff von den Bergen zu beiden Seiten dieses reizenden Thales zu geben, welche überall mit Burgen, Ruinen, Wein und Wald bekrönt sind und sich theilweise in den grünen Fluten spiegeln. Welches deutsche Herz schlüge hier nicht höher und freute sich nicht seines Ursprungs! Nur am Rheine fühlt man sich ein Deutscher – sonst nirgends! – Bei Sanct Goar ergötzte uns das herrliche Echo, das der Postillon mit seinem Horne hervorrief. Ein Mann hatte sich dort aufgestellt, um zur Ergötzung der Reisenden Pistolen abzufeuern, was eine großartige Wirkung hervorrief. Bald darauf kamen wir an die berühmte Veste Ritterstein und hörten vom Postillon, daß der Prinz von Preußen eben anwesend und es daher erlaubt sei, sie zu besuchen. Wir entschlossen uns sogleich, hinaufzuklimmen, welches in der That kein geringes Unternehmen ist, denn die Burg schwebt zweihundert Fuß über dem Fahrwege auf Felsenkuppen, welche von drei Seiten eine senkrechte Fronte darstellen. Wir erstiegen den Pfad, welcher vielfach geschlängelt und folglich sehr vortheilhaft angelegt ist, bei der bedeutenden Hitze nicht ohne Mühe; aber die reizenden Ruhepunkte und der Blick auf die mittelalterlichen Thürme und Zinnen, welche fast senkrecht über uns in den blauen Aether hinauf ragten, ermunterten uns in unserer Anstrengung. Endlich gelangten wir keuchend und erhitzt an das Burgthor und zogen die Glocke, um Einlaß zu begehren. Wir hatten Zeit, einen Blick in alle Richtungen dieser unvergleichlichen Landschaft zu thun, und fühlten in der reinen balsamischen Luft eine wunderbare Spannkraft und Lebenslust in unsern Adern klopfen. Nach einigen Minuten erschien der Burgvogt, welcher sich sehr bereit zeigte, unser Begehren zu erfüllen; er führte uns über die Zugbrücke, welche, wie verschiedene andere Theile, ganz im Geschmacke der ursprünglichen Bauart erneuert ist. Das Gemäuer und die Thürme, welche rund und aus rohen Steinen ausgeführt sind, haben ein hohes Alter und erinnerten mich an die Ruinen des Schlosses zu Dover, das bekanntlich aus den Römerzeiten stammt; die Brustwehren und eisernen Treppen sind jedoch neu und das Ganze ist im wohnlichsten und anmuthigsten Zustande. Der Hofraum ist zwar nicht groß, aber verschiedene Abtheilungen an der Vorderseite entsprechen den mancherlei Zwecken eines Gehöftes. Von hier aus beherrscht man das Rhein-Panorama sehr weit, und der köstliche Eindruck desselben wird durch die gemütliche