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aus der Zeit der spanischen Herrschaft herstamme, weil es heute noch in einigen Gegenden Spaniens und Portugals herrschend ist.

Da der nächste Tag ein Sonntag war, so brachten wir ihn hier zu und besuchten früh die englische Kirche, wo wir zufällig den anwesenden König der Belgier sahen. Sein schönes intelligentes Gesicht und seine edle Gestalt entsprechen vollkommen den guten Eigenschaften, die ihn so geliebt und verehrt machen.

Am folgenden Morgen reisten wir auf der Eisenbahn nach Brüssel und stiegen im Hotel de l’Europe ab, wo wir sehr prachtvolle Zimmer im ersten Stock erhielten. Hier verweilten wir einige Tage und besuchten zuerst die alte Kirche der heiligen Gudula. Das Chor, die Beichtstühle und die Kanzel sind aus sehr künstlichem Schnitzwerk, letztere ruht auf einer Gestalt, den Tod mit Sense und Stundenglas vorstellend. Die Verzierungen an den Beichtstühlen stellen Begebenheiten aus dem Leben Jesu und der Apostel dar. Wir besahen auch den berühmten botanischen Garten, dessen Gewächshaus riesige Palmen und Lotusbäume enthält. Hier sind alle Länder und Klimate vertreten und ihre herrlichen Repräsentanten bilden einen wahren Wundergarten der Schöpfung. Da die königliche Familie auf ihrer Sommerresidenz Laeken weilte, so besuchten wir den Palast des Prinzen von Oranien. Der Park umgiebt den Palast, der aus einem langen Parallelogram besteht, im einfachsten Style mit zwei Portalen. Das Innere indessen zeigt Geschmack für reiche Eleganz und Bequemlichkeit. Die bedeutende Gemäldesammlung enthält auch einen Raphael, besonders viele Bilder des Paul de Potter und des noch lebenden Verborkhoven. Der Hausverwalter, ein schon alter Mann, erzählte uns die Geschichte von dem Diebstahle des Schmuckes der Prinzessin von Oranien, welcher einige Zeit vor der Revolution stattgefunden hatte, und zeigte uns das Fenster, durch welches der Dieb eingebrochen war. Die Feinde des Hauses Nassau, und namentlich die des Prinzen selbst, hatten diesen Umstand benutzt, um dessen Charakter zu verdächtigen und zu brandmarken, indem sie ihn öffentlich beschuldigten, die Juwelen versetzt zu haben, um seine Spielschulden zu decken. Aber der hochgesinnte und freimüthige Krieger handelte wie jeder Mensch von Selbstgefühl in ähnlichen Fällen handeln würde – er hielt es nicht der Mühe werth, sich gegen diese niedrige Verleumdung zu vertheidigen, sondern überging sie mit stiller Verachtung. Später wurden die Juwelen mit dem Diebe in New-York entdeckt und dieser auch bestraft.