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Bücher, ein kolossales Himmelbett, dessen reiche Gardinen mit denen der Fenster harmonirten – Alles war vollständig. In dem Kamine loderte ein lustiges Feuer und ein Wasserkessel ließ sein gemüthliches Summen ertönen, kurz, es lag in der ganzen Einrichtung so viel Achtung und zarte Fürsorge gegenüber der Niederträchtigkeit der G., H. und N., daß ich sogleich überzeugt war, Mistreß E. sei eine Dame von überwiegendem Verstand und seltener Bildung, weshalb ich mich von Hochachtung und Liebe zu ihr durchdrungen fühlte. Wie rühmlich unterschied sie sich von der Klasse sogenannter Hochgebildeter, welche die Erzieher ihrer Kinder mit rohem Undank und schnöder Geringschätzung behandeln! Diese meinen, durch einen kargen Lohn, den sie ihnen zahlen, von allen weiteren Rücksichten entbunden zu sein, und können doch nicht leicht einen schlagenderen Beweis innerlicher Rohheit geben, die sie mit dem Firniß äußerlicher Politur vergebens zu bedecken suchen.

Nach einer splendiden Mahlzeit, die mir auf die seitherige Hungerkur wohlthat, ließ mich Mistreß E. wieder zu sich rufen; sie hatte die Kinder zu Bette geschickt und erkundigte sich umständlich nach meinen letzten Erlebnissen, woran sie den innigsten Antheil nahm. Ueber Lady N. war sie empört, sie kannte sie nicht blos aus Fräulein Ch.’s Mittheilungen, sondern auch durch andere Quellen. Ich leitete endlich die Unterhaltung auf ihren Erziehungsplan; hierin zeigte sich Mistreß E. aber ausweichend, ungefähr wie Einer, der einen schmerzlichen Fleck hat und sich scheut, ihn verbinden zu lassen. Sie beschränkte sich darauf, die Unterrichtsgegenstände zu bestimmen, das Uebrige, sagte sie, erwarte sie von meiner Umsicht und Geduld.

Ich war am nächsten Morgen schon bei Zeiten im Schulzimmer, um mich mit der Büchersammlung und hauptsächlich mit den Erziehungswerken bekannt zu machen. Auch in diesem Zimmer herrschte Bequemlichkeit und Eleganz, und das schöne Piano verhieß mir manche Stunde süßen Genusses. Ich war schon lange hier, als Karl und Richard, die Söhne der Mistreß E., erschienen und mit Heftigkeit in die Klingel stürmten, um, wie sie sagten, der Dienerin geschwinde Beine zu machen. Als das Frühstück hierauf gebracht wurde, fielen Beide darüber her und geriethen dabei in Rauferei. Ich gebot ihnen Ruhe und erklärte, daß keiner etwas anrühren solle, bevor das Morgengebet gesprochen sei. Die Knaben antworteten, daß sie dazu keine Zeit hätten, und stürmten fort, um sich in der Küche zu verproviantiren.