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herausgegeben[WS 1] hat. – Miß Ch. ergriff die strengsten Maßregeln, um die bereits verwilderten Kinder wieder zu bessern, aber ihr leidenschaftliches Verfahren verfehlte den Zweck gänzlich. Durch den unerträglichen Mangel und die außergewöhnlichen Verhältnisse auf’s äußerste gereizt, beobachtete sie die Lady und Sir Charles H. unaufhörlich, Tag und Nacht, und überraschte sie daher auch bei zärtlichen Scenen, worüber sie ihre Mißbilligung bei jeder Gelegenheit in Spott- und Schmähreden aussprach. Kurz, die Lady und ihre Erzieherin lebten in offener Fehde. Miß Ch. hatte übrigens die gute Eigenschaft, daß sie sich der kleineren unterdrückten Kinder schützend annahm, und gegen die scheußlichen Grausamkeiten, welche ihre Mutter an ihnen verübte, tobte und stürmte sie nicht nur mit der ihr eigenthümlichen Gemüthsart, sondern sie drohete auch mit Anzeige, wodurch sie wirklich einige Milderung für diese Unglücklichen erlangte. Sie hatte übrigens die Befriedigung, den Sturm, welcher sich schon seit langer Zeit über Lady Georginen’s Haupte zusammengezogen hatte, noch losbrechen zu sehen. Ihre unzähligen Gläubiger waren endlich zu einer richtigen Kenntniß ihrer Verhältnisse und Handlungsweise gelangt, verweigerten ihr in Folge davon allen ferneren Credit und bestürmten das Haus mit den unbeschreiblichsten Auftritten. Lehrer und Lieferanten blieben aus, und so war auf einmal der ganze Glanz wie eine Seifenblase verschwunden. – Zu jener Zeit galt in England noch das Gesetz, welches jede verheirathete Frau, so lange ihr Mann lebte, von der Bezahlung ihrer Schulden dispensirte, und auf diesen Schutz hin hatte Lady N. Schulden gemacht, die sie in ihrem Leben nicht bezahlen konnte. Da nun ihre Gläubiger jetzt von Rechtswegen nichts erlangen konnten, so setzten sie das Haus in einen völligen Belagerungszustand, bombardirten Thüre und Fenster, warnten die armen Lieferanten und hielten das Haus oft tagelang so abgesperrt, daß Niemand heraus noch hinein konnte. Einige hielten sich bisweilen versteckt, und wenn dann die Lady auszugehen wagte, verfolgten sie dieselbe mit Schimpfen und Drohungen, oft kam sie mit Schmutz und Speichel bedeckt nach Hause. Und dennoch schaffte sie nicht ein einziges Pferd ab und schränkte ihre Verschwendung nicht im geringsten ein.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. in der Vorlage: herausgegehen