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wie ihre Bemühungen, Verwilderung und Rückschritt fern zu halten, vergeblich blieben. Die Maschinen hatte man als unheilvoll den Kindern abnehmen müssen und alsbald begann Frau M. in Herne-Bey an der Küste von Kent, wo wir mit den Kindern den Sommer wegen der Seebäder verlebten, die Quälerei wieder. Da aber Miß Ch. mit mir unverhohlen ihre Mißbilligung aussprach, so hielt sie damit ein. Wären nicht alle Nachrichten von Karl, den Meinigen in Deutschland und Miß H. seit längerer Zeit ausgeblieben, so hätte ich zum ersten Male in England mit meinem Schicksale zufrieden sein können, zumal meine Gesundheit sich in dieser schönen Gegend und köstlichen Luft mehr und mehr befestigte. Einer unserer Lieblingsspaziergänge war ein schöner Weg, welcher über Wiesen unweit des Strandes nach einer alten gothischen Kirche führte, deren zwei spitze Thürme sich eigenthümlich schön am Horizonte abzeichneten. Nach ihrer Erbauung hatte sie ein paar englische Meilen vom Strande gestanden, die See war jedoch nach und nach gestiegen und hatte nicht nur den Kirchhof, sondern endlich die Kirche selbst unter Wasser gesetzt, und in diesem Zustand hatte sie wahrscheinlich Jahrhunderte gestanden. Demungeachtet ist sie merkwürdig erhalten, und von besonderer Schönheit sind die hohen Spitzbogenfenster, auf welchen das Leben Christi in allem Zauberspiel der Farben dargestellt ist. Auch sieht man noch viele Marmortafeln mit lateinischen und anglosächsischen Inschriften, wie auch andere Monumente, welche die Verdienste und Ruhestätten längst vergessener Generationen bekunden. Gern überließ ich mich den feierlichen Eindrücken, welche diese geweiheten Alterthümer auf mich machten; während ich im mystischen Halblicht, welches durch die bunten Fenster drang, diese Denkmäler und die Ansicht der Kirche zeichnete, fühlte ich mich von Ehrfurcht für das Zeitalter durchdrungen, welches schon vollendete Kunstwerke inmitten einer erst erblühenden Kultur erzeugte.

Im Herbste wurden wir wieder nach London gerufen, und hier ging leider die Pein der Kinder wie unsere eigene erst recht an. Jene wurden alle Tage wieder grausam gemißhandelt, und so fabelhaft es klingt, so ist es dennoch wahr, daß, nachdem sie bis auf’s Blut geschlagen worden waren, sie Frau M. auf Befehl ihrer Mutter mit Pfeffer und Salz einreiben mußte. Und alle diese teuflischen Grausamkeiten beging Lady N. unter dem Vorwande, ihre Kinder von einer unnatürlichen Sünde zu heilen! Zugleich reducirte sie unsern Tisch