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Rolle der Gouvernante; allein da auch ich nie dergleichen an ihnen gesehen hatte, auch ihre blühende Gesundheit das Gegentheil bezeugte, so hielt ich Alles für ein Hirngespinnst der Mutter und des Arztes, sprach mich auch in diesem Sinne offen aus. Diese Kinder waren, wie sonst die sogenannten Hexen, das Opfer des scheußlichen Beichtprozesses. – Auf Befehl der Lady mußte jetzt Frau M. bei einem berühmten Mechaniker in Oxford-Street den Kindern fabelhafte Maschinen anmessen lassen, welche durch Bandagen und Schlösser am Körper befestigt wurden. – Diesen drei Menschen erging es ihrerseits wie den Ketzer- und Hexen-Richtern: sie waren in ihrer abscheulichen Idee befangen und würden derselben ihre Opfer geschlachtet haben. – Als die Kinder diese Instrumente am Leibe hatten, bekamen wir einigermaßen Ruhe, da sie jetzt nicht mehr gefoltert und gemißhandelt, wir nicht mehr mit dem aufreibenden Geschäfte des Hütens und mit Vorwürfen über angebliche Saumseligkeit gepeinigt würden. Frau M. hatte die Schlüssel zu den Maschinen.

Seit Fräulein J.’s Ankunft waren alle jene Ergötzlichkeiten, deren ich zuvor genoß, weggefallen, wiewohl die Lady fast täglich mit Dr. Ch. ausfuhr und bisweilen die Kinder mitnahm. Es war klar, daß sie sich vor ihrer Gouvernante scheuete, und da sie niemals Gesellschaft empfing noch mit uns verkehrte, so waren wir Beide auf uns selbst beschränkt. Miß J. hatte indeß eine günstig gestellte Familie und wohlhabende Freunde, die sie oft besuchte, während meine einzige Freundin Fräulein H. war, deren Anhänglichkeit mir in meiner Verlassenheit unendlich wohl that. Sie bat mich am Schlusse der Season dringend, sie vor ihrer Abreise noch einmal zu besuchen, wozu ich von der Lady nur mit Mühe die Erlaubniß erhielt. Als ich nach einer glücklich verlebten Stunde mich verabschieden wollte, kam Madame H. und versicherte mich, daß sie mir ein Pfund zu viel gezahlt habe; ich empfand einen solchen Widerwillen gegen dieses niedrige Geschöpf, daß ich sagte: „Madame, Sie kommen mir vor wie Abdallah in Chamisso’s Gedicht, und da muß ich wohl den Derwisch machen, um Ihnen zu beweisen, daß die Deutschen großmüthig sind.“

Mit diesen Worten gab ich ihr meinen letzten Souvereigne aus Nationalgefühl, und die edle Miß nahm ihn von der so verlästerten Deutschen sehr dankbar an – die Reiche von der Armen.

Im Verlaufe der Zeit stellten sich die finanziellen Verhältnisse der