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seine Pflicht kenne und gethan, mir auch den letzten Entschluß der Königin mitgetheilt habe.

Jetzt fühlte ich mich überzeugt, daß dieser Mensch nicht geschaffen war, ein Retter der Unglücklichen zu sein, denn er handelte öffenbar nur nach Rücksichten und hatte die Königin über die Quelle seines Berichtes ganz bestimmt nicht wahr unterrichtet; sie hätte darüber lachen müssen. Ich übergehe die grausamen Chikanen der Mistreß H., welche auf dieses Ereigniß folgten und mich abermals auf das Krankenlager streckten; nur erwähne ich, daß sie mir bei meiner Wiederherstellung wieder ihre Rechnungen nebst zwei Pfund Ueberschuß meiner Besoldung hinlegte. Sofort erließ ich wieder Ankündigungen in den Blättern, empfing auch Einladungen, die aber alle durch mein kränkliches Ansehen fruchtlos wurden. Unter anderen Zuschriften erhielt ich auch eine Adresse Lady Georgiana N. in Nr. 7. Park Crescent. Es war meine letzte Hoffnung, ich schickte ein inbrünstiges Gebet zum Himmel um Erlösung aus meinem Jammer, und begab mich klopfenden Herzens dahin. Lady Georgiana war eine hohe, schlanke Dame von sehr vornehmen und graziösen Formen. Sie sagte mir, daß sie vier Söhne und drei Töchter habe, wovon der älteste in einem Institut erzogen werde, und daß sie eine junge Deutsche suche, die ihre Sprache grammatikalisch und praktisch zu lehren verstehe und die Gouvernante in Beaufsichtigung der Kinder unterstütze. Der Lady gegenüber saß in einem Lehnstuhle ein beleibter Herr, den sie mit den Worten anredete: „Halten Sie dieses Fräulein für stark genug, Sir Charles?" – „Geniren Sie sich nicht, fuhr sie gegen mich fort, dieser Herr ist mein Arzt." – Dieser richtete nun einige Fragen an mich, worauf er der Lady erklärte, daß ich nur die Bleichsucht habe, die er in kurzer Zeit zu heilen hoffe.

Lady Georgiana bot mir einen sehr geringen Gehalt und obenein unter der Bedingung, daß Frau H’s. Zeugniß günstig ausfalle.

Denselben Nachmittag wurde ich in den Salon citirt, wo mich meine Herrin mit den Worten anschnaubte: Was haben Sie denn gemacht? Erst haben Sie mit dieser Dame Verhandlungen gepflogen und sich nachher anderwärts beworben? Soeben hat Lady N. nach Ihrem Zeugnisse hergeschickt – hätte ich das gewußt, so hätte ich Ihnen keins ausgestellt."

„Aber jene Dame hatte ja gar nicht im entferntesten auf mich reflektirt, erwiederte ich.