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den englischen Boden zu betreten, aber jedes englische Herz haßt sie auch wie den Aussatz."

Der Haß dieser Elenden gegen mein Volk rief meinen ganzen Zorn auf: „Es ist Schade, Madame, rief ich, daß Sie Ihre saubern Gefühle für die Deutschen nicht in Gegenwart des Doctor K… ausgesprochen haben; die Königin, als Deutsche, hätte daraus gleich auf alles Uebrige schließen können."

Hiermit endete diese Unterredung und ich entfernte mich. Die gute Mary theilte meinen Gram und meine Thränen, sie gab sich viel Mühe, mir Muth und Trost einzusprechen, denn sie trug unter ihrer braunen Haut ein so edles Herz, wie je unter einer weißen geschlagen hatte. Nie entdeckte ich einen unlautern Zug in ihrer geistigen Physiognomie.

Am andern Tage erhielt ich einen Brief von Doctor K…, worin er mir mittheilte, daß er sich auf Befehl Ihrer Majestät der Königin nach meinen Verhältnissen erkundigt und in Erfahrung gebracht habe, daß sie sich ganz anders gestalteten, als ich sie geschildert, daher Ihro Majestät beschlossen hätten, nicht weiter darauf zu reflektiren.

Meine Arme sanken kraftlos herab, meine Augen wendeten sich fragend nach dem Himmel, denn am Himmel, nicht blos an den Menschen hätte ich verzweifeln mögen.

Es war offenbar, daß Doctor K… entweder ein böswilliger oder dummer Mensch war, sonst würde er nicht diesen Weg eingeschlagen haben, um die Wahrheit zu erfahren; es galt also zu wissen, welches von beiden er war? Im ersteren Falle war Alles verloren, im letzteren konnte ich ihm Beweise liefern. Ich beschloß daher, ihn aufzusuchen, und obgleich ein heftiges Fieber in meinem Pulse wühlte, begab ich mich doch nach seiner Wohnung in St. James Street; eine bedeutende Entfernung von der unsrigen in Montague Square. Meine Haut, Zunge und Lippen waren wie Pergament, vor meinen Augen flimmerte es, und doch besaß ich nicht mehr so viel, um einen Miethwagen anzunehmen, ich mußte mich von Zeit zu Zeit an den Souterrain-Geländern anhalten. Die Sonne brannte wie Feuer und ich hatte einen so heftigen Durst, daß ich mein Alles für einen Trunk guten Wassers gegeben hätte, was in London nicht zu haben ist. Ich, ein siebenzehnjähriges Mädchen in dieser unermeßlichen Stadt, krank, verlassen, verfolgt, ohne Geld, ja ohne irgend einen Ausweis, und das Alles durch die sogenannten edeln Briten! Entsetzliches Schicksal! – Gewiß war ich ein