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„Sie nahmen mir einen Stein vom Herzen durch ihren Vorschlag, und ich bekenne Ihnen, daß ich einzig um Ihrer jüngsten Tochter willen so lange in Ihren Diensten, wie es der Fall ist, geblieben bin.“

Was war natürlicher, als daß nach dieser Erklärung das Mißverhältniß noch unerträglicher wurde? Leider, ich bekenne es offen, mußte ich mir den schmerzlichen Vorwurf machen, daß ich mehrmals die günstigsten Placements ohne eigentlich tieferes Motiv verlassen und mich freiwillig dem Unglück überliefert hatte, und mit ewiger Wehmuth werde ich die Namen Eaton, Smith, Sligo, Howard und andere nennen. Selbst an den Palast in Warschau mußte ich in diesem Hause eines deutschen Edelmannes mit Sehnsucht zurück denken!




Dreiunddreißigstes Kapitel.




Gegen Mitte des Monat Juli begab sich die Familie von K. auf ihr zweites Gut, wohin ich sie begleitete, weil meine Zeit noch nicht vorbei war. Das Wohnhaus war auch nicht schön, lag aber in einer prächtigen Waldgegend und war von reizenden Anlagen umgeben. Hier hoffte ich schöne Stunden zu verleben, das köstliche Rauschen der Bäume, der poetische Wald- und Erd-Duft, die liebliche smaragdene Dunkelheit der Gebüsche hatte mit einem Zauberschlage mein leicht bewegtes Herz von seinen Schmerzen geheilt und alle Nachtigallen darinnen wach gerufen. Ich wußte noch nicht, auf welche geniale Weise meine edle deutsche Frau mir die gehoffte Freude hier versalzen würde, sollte es aber schon einige Stunden nach unserer Ankunft erfahren. Man wies mir nämlich eine Dachstube als Schulzimmer und ein enges Stübchen daneben für Mathilde und mich zum Schlafgemache an, welches zwei Betten neben einander, aber nur einen Waschtisch und keinen Bettschirm und Spiegel enthielt, obwohl in der ersten Etage mehrere gut möblirte Zimmer unbenutzt waren. Hier verleitete mich meine Berufstreue und Schamhaftigkeit zu einer Uebereilung, indem ich der Frau von K. erklärte, daß ich nicht gewohnt sei, mit meinen Schülerinnen auf einem so vertrauten