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und schädliche Lüste.“ Ein anderes Mal wüthete er unerklärlicher Weise gegen die Geschiedenen. Er predigte nämlich über den ersten Abschnitt des vierten Kapitels Johannis und suchte sehr geschickt zu beweisen, daß die Samariterin von fünf Männern wegen horrender Sünden geschieden worden sei, wobei er ausmalte, welch’ eine greuliche Sünde die Ehescheidung sei. – Im Januar ward die Verlobung Ernestinens mit Herrn v. C. sehr opulent gefeiert und die Hochzeit auf den ersten April festgesetzt. Während man jetzt alle die mannigfachen Vorbereitungen traf, die einer glänzenden Hochzeit vorangehen, fuhr ich fort, mich meiner Pflichten unermüdet und unerschrocken zu entledigen, und in sechs Monaten hatten meine Zöglinge sammt und sonders mehr gewonnen als früher in vielen Jahren. Alle ihre Bekannten und zahlreichen Verwandten machten mir darüber große Lobeserhebungen. Natalie wurde wegen ihrer Talente und Kenntnisse wie wegen der raschen Entwickelung ihrer Verstandeskräfte und Herzensgüte allgemein bewundert; aber das alles rührte meine Umgebungen nicht, im Gegentheile kränkten und verfolgten mich diese Menschen um so grausamer, je mehr ich mir um die Kinder des Hauses Verdienste erwarb. Die Liebe jenes kleinen Engels mußte mich allein für die zahllosen Unannehmlichkeiten und Mißhandlungen entschädigen, die ich zu dulden hatte. Ich wußte nur zu gut, daß der electrische Draht, an dem alle diese Verfolgungen sich über mir entladeten, in England seinen Anfangspunkt hatte, wäre es auch nicht direct von dem sehr edeln Bräutigam ganz unverholen, wenn auch verblümt, angedeutet worden. Die Famlie R. und Consorten, mit denen Herr v. C. sehr liirt war, setzten ihr gutes Werk, das sie in England angefangen, in Deutschland an mir fort. Aber auch hier hatte es die Natur fluchwürdiger Calumnie und schmählicher Tücke; nirgends eine offene Anklage, gegen die man sich offen vertheidigen kann, nichts als heimtückische, meuchelmörderische Angriffe in pöbelhaftester Form, des Ehrenabschneidens in Anspielungen, höhnischen Blicken, dunkeln Bezugnahmen, hämischen Fragen, alles nach Art der Beutelschneider und Banditen zugerichtet. Aber alle diese Bubenstreiche prallten ab an dem Hochgefühle meines inneren Werthes, ich fühlte mich durch Tugend und Talente unendlich über diese Würmerwelt erhaben. – Einstmals, da auch die armen Teufel ihre niedrigen Künste an mir nach Herzenslust erprobt hatten, verließ ich nach aufgehobener Tafel die Gesellschaft, ohne einen der Anwesenden einer Verbeugung zu