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zu lassen, sondern antwortete ganz ruhig: „Allerdings, wie Sie meine Stellung verstehen, so verstehe ich sie nicht, und mich durch Schmeicheleien beliebt zu machen, verschmähe ich.“

Sie schluckte den Haken hinunter und sagte ausweichend: „Mathildchen ist ein höchst liebenswürdiges und begabtes Mädchen, dessen vortreffliche Eigenschaften Sie nicht verstehen, deshalb sind Sie ungerecht gegen sie und ich muß Sie bitten, ein anderes Verfahren gegen dieselbe einzuschlagen.“

„Ich habe Mütter gekannt, sprach ich, die es sich zur Pflicht machten, mich um meine Meinung über ihre Kinder zu befragen und mit mir über die zu ihrer Vervollkommnung anzuwendenden Mittel übereinkamen, anstatt die Kinder gegen mich herauszustreichen oder mein Verfahren zu verwerfen. Mathilde hat durchaus keine glänzende Begabung, aber leider hat sie kein gutes Herz und keinen edlen Sinn, was jeder Unbefangene sofort aus dem gemeinen Wesen dieses Kindes erkennen muß. Ich fühle mich verpflichtet, Ihnen das der Wahrheit gemäß zu sagen.“

Statt mir nun für meinen Muth zu danken, überschüttete mich Frau v. K. mit Schmähungen und Invectiven, welche die Waffen aller gemeinen Seelen sind, ich aber antwortete sehr ruhig: „Ihre Beleidigungen treffen mich nicht, denn mein Bewußtsein dient mir als Schild dagegen.“ Sie fühlte sich doch etwas beschämt bei diesen Worten, denn sie stotterte mit niedergeschlagenen Augen: „Herr Pfarrer W. hat mir vorgeschlagen, mit Ihnen über Mathildchen zu sprechen, er wird Ihnen sagen, wie gut sie ist, denn er kennt sie von Kindheit auf und liebt sie wie seine eigene Tochter.“

„Die Einmischung des Herrn Pastors wie die jeder andern fremden Person muß ich depreciren, ich bin selbst fähig, ein gesundes Urtheil zu fällen und lasse meine Ansicht nie bestechen,“ erwiederte ich. Wir schieden unbefriedigt auseinander.

Am folgenden Abend speiste die ganze Pastorfamilie Eierkuchen auf unserem Rittersitze, der Bediente, ein entschiedener Günstling der Frau v. K., präsentirte mir immer zuletzt, nachdem er mich unter allgemeinem Lachen der Gesellschaft vorher übergangen hatte. Diese Menschen waren innerlich selbst in der Maße Lakaien, daß sie sich nicht genirten, mit einem so verachteten Subjecte grinsende Blicke zu wechseln. Ich nahm keine Notiz von diesen Pöbelstreichen und begab mich nach Tische ohne