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ein Kalb, das alles großäugig anstaunt, hin und her, während ein aufgequollenes, matrosenartiges Wesen hinter ihm her watschelte. Um anzukündigen, daß er Witz machen wolle, schlug der geistvolle Herr v. C. eine laute Lache auf und sagte: „Das bin ich und das ist mein Bruder, der nur chinesisch spricht oder wie ein Hund bellt.“ – Ein lautes Gelächter belohnte den neuen Aristophanes und alle Hände streckten sich freudig den Ankömmlingen entgegen. Jetzt erhob auch der Chinese seine Stimme, und wirklich hatte sie außerordentliche Aehnlichkeit mit dem Bellen eines jungen Hundes, und wenn sie dann und wann überschnappte, klang sie wie eine Pfennigpfeife, mit denen uns auf Jahrmärkten die Herren Gassenjungen ennuyiren. Ein Paar kugelrunde Glotzaugen gaben diesem wunderlichen Natur-Produkte ganz das Ansehen eines Nußknackers. Er ließ seine Sehmaschinen so prüfend auf dem weiblichen Theile der Gesellschaft herumhüpfen, daß ich alsbald einen Heiraths-Candidaten in ihm verspürte, und richtig bestand schon am andern Tage zwischen ihm und Ernestinen eine recht artige Vertraulichkeit. Diese hatte bis jetzt noch gar keine Sensation unter den Männern hervorgebracht, und es ließ sich daher ihre Dankbarkeit für die unerwarteten Schmeicheleien erklären. Auch er schien eine stammverwandte Dankbarkeit zu empfinden und seine schöne Seele eilte, sie ehebaldigst an den Tag zu legen. Es hatte keines allzu scharfen Auges bedurft, um den eifersüchtigen Haß Ernestinens gegen mich zu entdecken und den edeln Ritter zum Champion sämmtlicher beleidigten alten und jungen Weiber gegen eine – Gouvernante zu machen. Dies war um so spaßhafter, als ich Ernestinens Mutter hätte sein können und unter den mich umschwärmenden Herren sehr viele den Jahren nach meine Söhne; aber ich hatte mich seit zwanzig Jahren nicht verändert, mit der einzigen Ausnahme, daß ich voller und blühender geworden war. Jener Sprößling eines altadligen und sehr morschen Stammbaumes übte nun im Auftrage seiner Dulcinea die altadeligsten Flegeleien an mir Armen aus, gegen die ich keinen Schutz hatte als meine Satyre. Die hatte der neue Bayard allerdings nicht erwartet, und hatte er mich bis jetzt nur aus Rücksicht auf meine Feindinnen angegriffen, so wurde seine Rache jetzt persönlich und um so glühender, als ich ihm ganz unumwunden meine Verachtung bot. Er beschleunigte sein Arrangement mit[WS 1] Ernestinen möglichst, denn die Finsternisse seines Geldbeutels bedurften die goldene Morgenröthe ihrer Dukaten in hohem Grade. Wie man

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: mi