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ahnungsvollen Grauen erfüllte. Ich gestehe, daß ich mich des unangenehmen Eindruckes der beiden jungen Mädchen kaum erwehren konnte, und es bemächtigte sich meiner eine gewisse Beklemmung, die ich als eine Ahnung böser Tage betrachtete. So sehr mich indessen meine beide ältesten Schülerinnen abschreckten, so sehr fühlte ich mich durch das unbefangene, unschuldige Gesichtchen Nataliens, wie auch durch ihr vertrauenvolles, kindliches Wesen angezogen. In ihr reines Herz hoffte ich den Saamen der Menschenliebe, Frömmigkeit und Biederkeit ungehindert zu streuen und in ihr einen Ersatz für die mir andererseits drohenden Schwierigkeiten zu finden.

Nach aufgehobener Tafel wurde mir mein Schlafgemach gezeigt, welches in einer schlechten Kammer mit zwei Betten, zwei Waschtischen, zwei Stühlen und einem wachsleinenbedeckten Tische bestand und in welcher außer mir noch Mathilde schlief. Da es in dieser Klosterzelle weder Spiegel noch Bettschirm gab, bat ich Frau von K. darum, mußte aber erfahren, daß diese darüber sehr ungehalten schien. Diese Edeldame meinte, ich könne mich ja im Schulzimmer kämmen und ankleiden, brauche mich auch vor Mathilden nicht zu geniren. Ich erwiederte, daß ich eine unüberwindliche Abneigung vor ausgekämmten Haaren in Wohnzimmern und vor Körper-Ausstellungen habe, folglich auf meiner Bitte bestehen müsse. Endlich erhielt ich nach vieler Mühe einen Bettschirm und Rasir-Spiegel, obgleich die Natur mich mit keinem Barte beschenkt hat.

Am folgenden Tage trat ich mein Lehramt an. Ungeachtet Frau von K. ausgezeichnete Pianistin und selbst Componistin war, so wußte doch die älteste Tochter Ernestine wie auch Mathilde äußerst wenig Musik, indessen hatte ich die erstere nicht darin zu unterrichten. Doppelte Mühe hingegen hatte ich mit Mathilden, um ihr nur die Elemente der Tonleiter, des Anschlages, Taktes und Fingersatzes begreiflich zu machen. Weiter war Ernestine in den Sprachen, aber ihre Abneigung vor geistigen Beschäftigungen und ihre Vorliebe für gleichgestimmte Gesellschaft ließ sie in nichts zur Vortrefflichkeit vorschreiten, weßhalb sie auch nur eine höchst einseitige Gesellschafterin abgab. Mathilde glänzte in geistiger Beziehung eben so wenig, wie ihre Schwester, dazu kam aber noch eine unbegrenzte Abneigung gegen alles, was Bildung und Anstand bekundete und das sie als Ziererei bezeichnete. Sie hatte es sich zur